"So was erwartet niemand"
Im Spreeacker gedeihen über hundert essbare Pflanzen mitten in der Stadt

Mitten im dicht bebauten Mitte liegt der paradiesische Spreeacker. Klapperapfel, Schwarznuss, Kornelkirsche, Feigen und Liebstöckel gedeihen hier. Kräuter, Beeren und essbare Blüten. Stadtbewohner wie Michael LaFond haben den essbaren Garten vor mehr als zehn Jahren am Wilhelmine-Gemberg-Weg angelegt.  | Foto: Ulrike Kiefert
8Bilder
  • Mitten im dicht bebauten Mitte liegt der paradiesische Spreeacker. Klapperapfel, Schwarznuss, Kornelkirsche, Feigen und Liebstöckel gedeihen hier. Kräuter, Beeren und essbare Blüten. Stadtbewohner wie Michael LaFond haben den essbaren Garten vor mehr als zehn Jahren am Wilhelmine-Gemberg-Weg angelegt.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Simone Gogol-Grützner

Der Spreeacker ist ein kleines Paradies. Schwarznuss, Kornelkirsche, Feigen und Holunder gedeihen hier. Kräuter, Beeren und essbare Blüten. Stadtbewohner haben den essbaren Garten vor mehr als zehn Jahren angelegt. "Zum Glück", sagt Michael LaFond. "Heute ginge das nicht mehr."

Saftiges Grün blitzt am Ende des Fußwegs auf. Es duftet nach Salbei und Holunder. Die schlanken Obstbäume sind energisch gewachsen, die Bornholm-Feige auch. Michael LaFond ist zufrieden. „Einige Feigen werden wir dieses Jahr essen können.“ Erste Früchte trägt auch die Ölweide. „Die sehen wie Oliven aus und schmecken etwas säuerlich.“ Bis zur Ernte dauert es aber noch, auch für die Äpfel, Kirschen, Quitten und Birnen ist es zu früh. Salbei und Petersilie hat Michael LaFond dagegen schon bündelweise weggetragen.

Michael LaFond sitzt im Vorstand des Vereins Spreeacker. Der hat sich 2014 aus mehreren Initiativen und engagierten Nachbarn gegründet. Den Spreeacker selbst gibt es schon seit zwölf Jahren. Er liegt am Ende des mit Wohnhäusern bebauten Wilhelmine-Gemberg-Wegs direkt an der Spree. Anwohner wie Michael LaFond, der vor rund 30 Jahren aus den USA nach Berlin kam, hatten die Idee, auf dem damaligen öden Fabrikgelände einen Nutzgarten anzulegen. Ihre Vision: eine essbare und produktive Landschaft zwischen Michaelbrücke und Schillingbrücke mitten in Berlin. Doch der Boden gab das nicht her, „hier lag überall Bauschutt herum“, erinnert sich Michael LaFond. Weil das für den Garten angedachte Grundstück jedoch im Fördergebiet Luisenstadt liegt, sprang das Bezirksamt Mitte ein. Das ließ metertief den Boden austauschen und spendete die ersten Obstbäume. „Das hätten wir allein nicht bezahlen können.“

Ein prüfender Blick auf den Klapperapfel. Ernten kann Michael LaFond das Obst ab September.   | Foto:  Ulrike Kiefert
  • Ein prüfender Blick auf den Klapperapfel. Ernten kann Michael LaFond das Obst ab September.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Angefangen mit rund 500 Quadratmetern ist der Spreeacker heute fast 2000 Quadratmeter groß. Er zieht sich den Paula-Thiede-Uferweg entlang und hat inzwischen auch einen Waldgarten mit Wildobstgehölzen und essbaren Stauden. „Oft heißt es ja, in der Stadt gäbe es keine Natur. Dass das nicht stimmt, zeigt unser Projekt.“ Über 100 verschiedene essbare Pflanzen gedeihen im Spreeacker. Kräuter wie Beinwell, Pfeffer, Rosmarin, Mispel, Petersilie, rot-schwarzer Lorbeer oder Liebstöckel, dessen Samen ziemlich intensiv schmecken. Dazwischen reifen Brombeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Stachelbeeren und Johannisbeeren. „Bei den Obstbäumen haben wir uns für sehr alte Sorten entschieden“, sagt Michael LaFond. „Die sind robuster und brauchen nicht so viel Wasser.“ Wie die Schwarznuss, Maulbeere, Kornelkirsche, Pflaume und der Klapperapfel. Schmackhaft ist auch der Sanddorn. „Aus dem machen wir Marmelade“, sagt Ulla, die gerade vorbeikommt und einen prüfenden Blick auf die Beeren wirft. „Das reicht für fünf bis zehn Gläser.“

Ernten kann im Spreeacker eigentlich jeder. „Die meisten nehmen den essbaren Garten aber gar nicht wahr“, sagt Michael LaFond. „So was erwartet einfach niemand in der Stadt.“ Das kann man auch Glück nennen, denn so wird der Garten nicht kahlgeerntet.

Unten am Wilhelmine-Gemberg-Weg beginnt der Spreeacker.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Unten am Wilhelmine-Gemberg-Weg beginnt der Spreeacker.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Michael LaFond ist fast täglich hier, wässert, rupft Unkraut, lockert den Boden. Er liebt das Gärtnern, und die Idee einer essbaren Stadt, in der sich die Bewohner selbst versorgen und gleichzeitig die Natur schützen, fand er schon immer interessant. „Vor 150 Jahren war das hier alles Feld und Acker“, erzählt der Anwohner. „Was hier wuchs, durfte jeder in der Stadt ernten. Mit der Industrialisierung ist das alles verschwunden.“ Jetzt ändere sich das langsam wieder. Immer mehr Berliner ohne eigenen Garten bauen in der Stadt Gemüse, Obst, Kräuter oder essbare Blüten an. In klassischen Beeten oder Hochbeeten, auf Balkonen und sogar auf Dächern. Für Michael LaFond ist das keine Spielerei. „Es kommen Ernährungskrisen auf uns zu, es ist also sinnvoll, dass wir etwas tun.“ Darum erarbeitet der Verein auch über den Spreeacker hinaus Ideen für eine nachhaltige und kooperative Stadtentwicklung – zusammen mit Nachbarinitiativen wie der Spreefeld-Genossenschaft, dem Bürgerverein Nördliche Luisenstadt und dem Teepee Land. Lokalthemen sind der befestigte Uferweg, an dem das Bezirksamt schon baut, oder der Erhalt des denkmalgeschützten Bootshauses.

Inzwischen ist es später Nachmittag. Über dem Spreeacker weht ein laues Lüftchen, und Michael LaFond ist bald fertig für heute. Gerade steht er kniehoch in Brennesseln. „Die Blätter kannst du einkochen, pürieren, ein bisschen Knoblauch und Olivenöl dazu, fertig ist das Pesto.“ Ein Rezept hat er auch für das Colakraut parat. „Zehn Minuten in Wasser einlegen, und es schmeckt tatsächlich nach Cola.“ Dann wird sein Blick nachdenklich. „Die Stadt wird immer voller und teurer, wir hatten vor zehn Jahren wirklich Glück mit diesem Gründstück.“ Michael LaFond streift die Handschuhe ab. „Mal sehen, wie lange wir hier noch 'spielen' dürfen.“

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet jetzt auch bei Ihnen

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Reinickendorf
  • 06.12.24
  • 644× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 731× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 409× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 27.11.24
  • 859× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.799× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.