Die Thusnelda-Allee ist noch ein germanisches Relikt im Vielvölkerkiez

Berlins zweitkürzeste Straße: die Thusnelda-Allee. | Foto: KEN
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„Mein schönes Thuschen“: So lässt Heinrich von Kleist in seinem historischen Schauspiel „Hermannschlacht“ den Cheruskerfürsten Hermann-Arminius seine Gattin nennen. Später wurde daraus die „Tussi“. Die so gescholtene Thusnelda gab der zweiten Straße, die die Berliner Woche nach der Arminiusstraße vorstellt, ihren Namen.

So richtig ausschreiten kann man in dieser mit Bäumen nur spärlich bestandenen Allee nicht, an deren Westseite der 1950 angelegte Otto-Park liegt. Nach 50 Metern ist schon Schluss. Die Thusnelda-Allee ist die kürzeste Straße in Moabit und nach der nur 16 Meter messenden Eiergasse im Nikolaiviertel die zweitkürzeste im Bezirk Mitte.

1867 gab es die Straße schon. Sie war aber nicht mehr als ein schlammiger Fußweg. Weil Kaiser Wilhelm auf seinem Weg in den Kleinen Tiergarten nicht immer im Morast stecken bleiben wollte, ließ er sie zehn Jahre später pflastern. Nach Thusnelda, der „kräftigen und tüchtigen“ Tochter des Cheruskerfürsten Segestes, wurde die Straße dann am 18. Januar 1892 benannt. Vielleicht um zehn vor Christus geboren, ist Thusnelda ihrem Gatten Arminius hier in Moabit ganz nahe.

Im richtigen Leben hatte Thusnelda ein übles Schicksal. Vom eigenen Vater, einem Römerfreund, entführt und an die Römer ausgeliefert, gebar sie fern der Heimat Hermanns Sohn Sigmar, von den Römern Thumelicus genannt. Ihren geliebten Arminius – „Hermann, Hermann, so hat dich niemals Thusnelda geliebt!“, so Friedrich Gottlieb Klopstock in einem Gedicht – sollte sie nie wiedersehen.

Nachdem Thusnelda und Thumelicus 17 nach Christus als Trophäen im Triumphzug des Germanicus in Rom mitgeführt worden waren, wurden sie nach Ravenna verbracht. Über beider weiteres Leben ist heute nichts mehr bekannt.

Die Thusnelda-Allee kennt noch eine Superlative: Sie säumt nur ein einziges Gebäude, die Heilandskirche. Ihr Bau wurde im Jahr der Straßenbenennung begonnen und 1894 von Kaiserin Viktoria eingeweiht. Ihr Mann Wilhelm II. hatte für den Kirchenbau 200 000 Mark und das Grundstück gestiftet.

So kurz die Thusnelda-Allee, so hoch, mit knapp 90 Metern fast doppelt so hoch, der Turm der Heilandskirche. Die evangelische Kirche ist eine Filiale der ersten Moabiter Kirche, der Johanniskirche, die für die sich rasch vergrößernde Gemeinde schnell zu klein geworden war. Der Entwurf des neugotischen Bauwerks stammt vom Architekten und damaligen Baurat Friedrich Schulze. Die drei bis heute erhaltenen Glocken stiftete die Firma Bolle.

Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Heilandskirche in den 50er-Jahren stark vereinfacht und, innen von allem Zierat befreit, wiederaufgebaut. Nur den Turm hat man in seiner alten Form wiederhergestellt. Zu prägend ist er für den Kiez.

Die Kirchengemeinde fühlt sich Thusnelda durchaus verbunden. Nach ihr ist das Kirchen-Café benannt, wo an unterschiedlichen Tagen der Woche Essen an Wohnungslose und andere Bedürftige ausgegeben wird.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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