"Reiner als Schnee"
Thomas Morus – ein Mann mit echtem Galgenhumor

Die Morusstraße trägt ihren Namen seit 1950. | Foto: Foto: Schilp
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Vor 70 Jahren wurde die Lessingstraße im Rollbergviertel umbenannt, seitdem trägt sie den Namen des englischen Gelehrten und Staatsmannes Thomas Morus. Der 1478 Geborene gilt auch als Verfasser des ersten utopischen Romans.

Als Kind ist Thomas Morus (eigentlich: Thomas More) Page beim Kardinal von Canterbury. Mit 15 Jahren geht er nach Oxford, beschäftigt sich mit humanistischen, theologischen und juristischen Studien und gilt bald als einer der besten Anwälte Londons. Lange Jahre ist er Mitglied des Parlaments. König Heinrich VIII. holt ihn an seinen Hof, macht ihn zu seinem Vertrauten und zum Lordkanzler.

Doch 1532 legt Morus seine Ämter nieder. Vorausgegangen ist das berühmte Zerwürfnis zwischen Heinrich VIII. und dem Papst, der sich weigert, die Ehe des Königs mit Katharina von Aragon zu annullieren. Heinrich gründet seine eigene, die anglikanische Kirche und erklärt sich zum Oberhaupt. Morus weigert sich jedoch, ihn als solches anzuerkennen und leistet den geforderten „Suprematseid“ nicht.

Hochverrat und Armenspeisung

Er wird wegen Hochverrats angeklagt, in den Tower geworfen und 1535 enthauptet. Einen Monat lang ist sein Kopf auf der London Bridge zur Schau gestellt, bis eine seiner Töchter es schafft, ihn gegen Bestechungsgeld herunterholen zu lassen und ihn in der Familiengruft beizusetzen.

Morus galt als fleißiger Beamter und er soll sehr freigiebig gewesen sein. Während einer Hungersnot ernährte er viele aus eigener Tasche und seine Landarbeiter behandelte er ungewöhnlich gut. Ebenfalls nicht selbstverständlich: Die drei Töchter erhielten eine ebenso gute Erziehung wie der einzige Sohn. Außerdem soll Morus Humor gehabt haben – bis in den Tod. Eine Anekdote erzählt, er habe den Henker gebeten, beim Zuschlagen mit dem Beil auf seinen Bart zu achten, denn der sei ja schließlich nicht des Hochverrats schuldig.

Sein Humor hörte jedoch bei religiösen Dingen auf. Als Katholik setzte er sich vehement für die Autorität des Heiligen Stuhls ein, und er war ein erbitterter Gegner Martin Luthers. Besonders hartnäckige Anhänger der Reformation ließ er verfolgen und verbrennen, daran änderte auch seine humanistische Einstellung nichts. Trotzdem urteilt sein Zeitgenosse Erasmus von Rotterdam über ihn: „Thomas Morus, dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte, ja nie wieder haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist.“

Gemeinschaft über Individuum

Morus verfasste viele Schriften und Traktate. Als ein Höhepunkt der englischen Historienschreibung gilt seine „Geschichte König Richards III.“. Doch sein bekanntestes Werk ist „Utopia“, das später Namensgeber für eine ganze Literaturgattung wurde. Der vollständige Titel lautet: De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia („Von der besten Verfassung des Staates und von der neuen Insel Utopia“).

Er beschreibt darin einen Stadtstaat, in dem konsequent die Kollektivinteressen über die der Einzelnen gestellt werden. Jedermann ist zu gemeinschaftlicher Arbeit und Bildung verpflichtet und genießt religiöse Toleranz. Grund und Boden sind gemeinsamer Besitz. Das Buch wird bis heute unterschiedlich interpretiert: Die einen sehen es als Gegenentwurf zum England der damaligen Zeit, die anderen als boshafte Satire.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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