Europafahne soll wehen

Schöneberg. Bisweilen müssen sich die Bezirksverordneten nicht nur mit Fahrradabstellmöglichkeiten, maroden Schultoiletten und was der politische Bezirksalltag sonst noch so bietet, beschäftigen.

Der Auslöser für die Debatte war ein Stück Stoff, zugegeben ein sehr symbolträchtiges. Grüne und CDU hatten in der BVV einen Antrag gestellt, der eine Peinlichkeit endlich beseitigen sollte: Dass die Europafahne nicht länger fehle im Sitzungssaal der Bezirksverordneten im Rathaus Schöneberg. „Von allen zwölf Berliner Bezirken verzichten lediglich zwei Bezirke auf die EU-Flagge in ihren BVV-Sälen: Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg“, ist im grün-schwarzen Antrag zu lesen. Warum das so ist, blieb leider unbeantwortet.

Wer glaubte, die Abstimmung darüber, dass die EU-Flagge zwischen Schwarz-Rot-Gold und dem Berliner Bären auf weiß-rotem Grund endlich ihren Platz erhält, erfolge ohne Umschweife, sah sich getäuscht.

Es entspann sich eine einstündige, von Zwischenrufen unterbrochene, leidenschaftliche Diskussion über Sinn und Politik der EU. Alle Redner hatten dafür in ihre Partei- und Bundestagswahlprogramme geschaut.

Bertram von Boxberg (Grüne) verstand seinen Antrag auf das Hissen der Europafahne als „keinen besonders revolutionären Akt“, eher als „kleines Zeichen, dass Tempelhof-Schöneberg einen populistischen Euroskeptizismus nicht mitmacht“. Das war selbstverständlich auf die AfD gemünzt, die prompt ihre Stereotypen zu europäischer Geld-, Migrations- und Russland-/Ukrainepolitik zu Gehör brachte. „Eine Flagge im BVV-Saal ändert noch nicht die EU-Politik“, war zu hören. Und die werde selbstverständlich von Banken, Konzernen und Lobbyisten bestimmt, so Elisabeth Wissel (Die Linke).

Ralf Olschewski (CDU) als einer der letzten Redner holte die Debatte auf einem kleinen Umweg über das Jahr 1870 schließlich wieder zurück in den BVV-Saal von heute. Tempelhof-Schöneberg sei Teil der Stadt Berlin, Deutschlands und auch Europas und der EU, die in einer globalisierten Welt ohne Alternative sei. „Und deshalb gehört da diese Fahne hin.“

Die sich anschließende Abstimmung ergab eine breite Zustimmung zum Antrag. Die Linke enthielt sich. Die AfD stimmte dagegen. KEN

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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