Lieb, weil so nötig: Der Kiezkompass verweilt noch ein wenig im Großen Tiergarten

Einsam im Park: Standbild Theodor Fontanes an der Thomas-Dehler-Straße. | Foto: KEN
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Weil es im großen „Lustpark für die Bevölkerung“ so schön ist, folgen wir dem Kiezkompass nach dem Besuch der wilhelminischen Siegesallee weiter durch den Tiergarten.

Seit 1740 findet der Park zwischen Brandenburger und Charlottenburger Tor seine begeisterten Flaneure. Waren es früher Offiziere hoch zu Pferde, Mamsellen und Literaten, sind es heute Jogger und vielleicht immer noch Literaten. Der Große Tiergarten war Schauplatz so mancher dramatischer Ereignisse. Der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann (1776-1822) begrub beim „Karpfenteich“ seinen befellten Freund. Für den Kater Murr veröffentlichte er am 1. Dezember 1821 sogar einen Nachruf: „In der Nacht vom 29. bis zum 30. November d. J. entschlief, um zu einem beßern Dasein zu erwachen, mein theurer geliebter Zögling der Kater Murr im im vierten Jahr seines hoffnungsvollen Lebens.“

François-René de Chateaubriand (1768-1848), zu dieser Zeit französischer Botschafter in Berlin, bezeichnete den Tiergarten als Wald aus Eichen, Birken, Buchen, Linden und Pappeln, in dem es Enten gab, die schwarze Frösche verschlangen, und einen König, der jeden Tag zu derselben Stunde in einer offenen Kutsche, die er selbst lenkte, in den Park hinausfuhr, um in Ruhe seine Zigarre zu rauchen.

Zu späteren „Tiergartengängern“ gehörten die Brüder Grimm und Theodor Fontane. Ihm war der Park besonders „lieb, weil so nöthig“. Fontane verrät in seinem 1895 entstandenen Gelegenheitsgedicht „Meine Reiselust“ seine tägliche Spazierroute: „Jetzt zwischen Link- und Eichhornstraße meß' ich meine bescheid'nen Maße, höchstens bis Königin Luise wag' ich mich vor, umschreitend diese, bleib' dann ein Weilchen noch in dem Bereiche des Floraplatzes am Goldfischteiche. Der Wrangelbrunnen bleibt mir zur Linken, rechtsher seh' ich Goethe winken, zuletzt dann vorbei an der Bismarckpforte kehr' ich heim zu meinem alten Orte, zu meiner alten Dreitreppen-Klause, hoch im Johanniterhause.“ Das Johanniterhaus der Ballei Brandenburg befand sich in der Potsdamer Straße 134c.

Auch als Schauplatz in Fontanes Romanen fand sich der Tiergarten häufig wieder. In „L'Adultera“ von 1880 heißt es im letzten Kapitel: „Und dann bogen sie plaudernd in die schmalen, schattigen Gänge des Parks ein, bis sie zuletzt unter der schräg liegenden Hängeweide fort, die zwischen dem Königsdenkmal und der Luiseninsel steht und hier beinahe den Weg sperrt, in die breite Tiergartenstraße wieder einmündeten.“

Glücklich im Park war auch Arno Holz: „Im Tiergarten, auf einer Bank, behaglich, ein Knie über das andere, bequem-nachlässig zurückgelehnt, sitze ich und rauche und freue mich über die schöne Vormittagssonne!“, beginnt sein Gedicht „Brücke zum Zoo“ (1898).

Längst ist diese Epoche verklungen und Gabriele Tergit (1894-1982) musste nach dem Zweiten Weltkrieg 1951 in ihrem Roman „Effingers“ über das Schicksal einer jüdischen Familie in Berlin schreiben: „Die ganze Tiergartenstraße lag in Schutt und Asche. Nur der alte Fontane aus weißem Stein, den Mantel über der Schulter, der war stehengeblieben und sah mit weißen Augen auf die Trümmer“.

Einsam im Park: Standbild Theodor Fontanes an der Thomas-Dehler-Straße. | Foto: KEN
Tiergarten-Spaziergänger aus Leidenschaft: Theodor Fontane. Sein Standbild befindet sich etwas abseits an der Thomas-Dehler-Straße. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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