Der Preis für den Einkaufsklick
Der Lieferverkehr stellt eine immer größere Belastung für die Innenstadt dar

E-Commerce hat den Lieferverkehr anschwellen lassen. Doch haben DHL & Co. nur einen winzigen Anteil am Wirtschaftsverkehr der Stadt.  | Foto: Foto: KEN
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Wer ärgert sich nicht über DHL, Hermes, UPS & Co., wenn deren Kleintransporter wieder einmal die Straße zustellen. Wie Lösungen für die ganze Stadt aussehen – Ausdehnung der Lieferzeiten? – und was insbesondere die Unternehmen in den Quartieren zu einer Entlastung beitragen könnten, darüber diskutierten Fachleute, Gewerbetreibende und Bürger aus Tiergarten und Schöneberg im Projektraum „Zwitschermaschine“ in der Potsdamer Straße, auch sie eine der viel befahrenen Straßen in der Stadt.

Tempelhof-Schönebergs Stadtentwicklungsstadtrat Jörn Oltmann (Grüne) appelliert an die Bürger, weniger online zu bestellen. Dann gebe es auch weniger Lieferverkehr. Im Weiteren setzt Oltmann auf Antriebe von Fahrzeugen, die nichts Schädliches mehr in die Luft blasen. Auch die Gestaltung einer Straße könne viel bewirken, meint der Stadtrat. Und natürlich müssten Dinge wie das Freihalten einer Busspur oder einer Ladezone kontrolliert werden. Mehr Personal in den Ordnungsämter muss her.

Wenn man das Leben haben wolle, das man führe, sei Verkehr der Preis, sagt Julius Menge, Referent für Grundsatzangelegenheiten der Verkehrspolitik und Verkehrsentwicklungsplanung in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Physische Produkte werden physisch transportiert.“ Im Land Berlin habe jede Straße eine Funktion. Große Straßenverbindungen wie die Potsdamer Straße verknüpften Teile der Stadt miteinander. Das sei die „Idee von Stadt“, ohne sie funktioniere eine Stadt nicht, so Menge.

Verkehr und Lieferverkehr im Besonderen hänge von der Bevölkerungsentwicklung ab. Dass die Einwohnerzahl Berlins zunehme, merke man spätestens morgens in der U2, sagt der Experte. Bis 2030 sei eine Zunahme um 266 000 Menschen prognostiziert. Julius Menge stellt klar, dass im städtischen Wirtschaftsverkehr Lieferanten nur einen kleinen Teil ausmachten. Mehr als 35 Kilometer legt einer am Tag nicht zurück. Und eigentlich parkten sie auch nicht lange an einer Stelle. Den Löwenanteil machen Anlieferer etwa für Baustellen und Entsorger aus. Jeder Berliner produziere jährlich 225 Kilo Hausmüll und 50 Kilo Altpapier. Das müsse abtransportiert werden.

Neue Mobilitätstrends für den Lieferverkehr wie Lastenfahrräder hält Fachmann Menge nicht für der Weisheit letzten Schluss, auch wenn ein solches Fahrrad vollkommen emissionsfrei ist und der Berliner Senat „KoMoDo“, ausgeschrieben „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“, testet. Gewisse Marktsegmente könnten damit bedient werden, „aber bitte nicht den Betonmischer durch das Lastenfahrrad ersetzen wollen“, meint Menge.

Ein Projekt mit einem Kleindepot und Lastenradfahrern als „Logistiker der letzten Meile“ bereitet der Bezirk Tempelhof-Schöneberg am Tempelhofer Damm vor, wie Martina Marijnissen von der Wirtschaftsberatung und -förderung weiß. Es kann noch nicht an den Start gehen. Es fehlt eine etwa 50 Quadratmeter große Fläche für den „Micro-Hub“. Sulaf Ahmed, Betreiber zweier Supermärkte, erprobt das bereits für sich. „Ich bin der neue Postbote zwischen meinen Filialen“, sagt der Kaufmann über den kleinen Pendellieferverkehr mit dem Lastenfahrrad.

Mehr Ladezonen, wie sie die Interessengemeinschaft Potsdamer Straße, das Stadtteilforum Tiergarten-Süd und die Industrie- und Handelskammer fordern? Eine Ladezone beim Bezirksamt beantragen kann jeder, sagt der Mann von der Senatsverwaltung. Aber Stadtraum sei endlich.

Den will der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) „gerecht“ verteilen, wie sein Vertreter Jens Hilgenberg ausführt. Der Umweltschutzverband setzt auf eine Kombination aus Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und einer Bündelung des Lieferverkehrs.

Am Ende, davon ist Experte Julius Menge überzeugt, werden weniger technische Innovationen die Herausforderung für die Innenstädte meistern, vielmehr Dialog, Kompromissbereitschaft, verlässliche Rahmenbedingungen und Informationsaustausch.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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