Surfen im Lesegarten
Mit zwei Jahren Verspätung wurde der neue Rathausplatz in Wedding eingeweiht

Die Gedenkstele für das Ehepaar Hampel auf dem neuen Rathausplatz wurde im Juli aufgestellt.  | Foto: Dirk Jericho
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Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat am 12. November das komplett neugestaltete sogenannte Rathausumfeld – das ist der Platz rund um den früheren Rathausturm (heute Jobcenter) zwischen Müllerstraße und Genter Straße – übergeben. Eigentlich sollte der Platz schon im Herbst 2016 fertig sein.

Sitzen im Lesegarten, unter drei Meter hohen Leselampen auf Betonstelen mit verschiedenen Lichtfarben, oder einfach gechillt im Internet über das WLAN der 2015 eröffneten Schillerbibliothek surfen: So soll es zugehen auf dem neuen Rathausplatz. Der Lesegarten mit acht Sitzbänken und genauso vielen Leselampen zwischen Jobcenter und dem gläsernen Schillerbibliothek-Neubau ist sicher das Highlight der neuen Freiflächen rund um den ehemaligen Rathausturm. Nach sechs Jahren Planung, drei Jahren Bauzeit und langen Verzögerungen sowie einer Kostensteigerung von 2,8 auf 4,5 Millionen Euro präsentiert sich Weddings wichtigster Stadtplatz jetzt als steinerner Wohlfühlort.

Der Anfang der 1960er-Jahre mit dem Rathausneubau und dem davor stehenden ehemaligen BVV-Saal angelegte Platz war völlig verloddert. Vor dem Krieg gab es dort einen Rummel, danach einen Marktplatz. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Obdachlose im Gebüsch und unter den Nischen am Elfgeschosser genächtigt und Trinker ihre Biere gekippt. Mit der kompletten Neugestaltung soll das Schmuddelimage nun verschwinden.

Nischen und Ecken wurden beseitigt; der Hauptplatz wurde barrierefrei umgebaut. Es gibt keine Stufen und Treppen mehr. Alle Geländesprünge wurden durch Schrägen angeglichen. Am Sockel des Jobcenterturms, der für Obdachlose durch einen Vorsprung der Fassade idealer Schlafplatz war, wurden die Böschung angeschrägt und Lochbleche installiert, so dass man da nicht mehr liegen kann, wie Karsten Scheffer vom Büro Jahn, Mack & Partner, das im Auftrag des Bezirks die millionenschwere Aufwertungskampagne rund um die Müllerstraße koordiniert, sagt. Ein Alkoholverbot auf dem Platz durchzusetzen, sei rechtlich schwierig, sagt Scheffer. Derzeit wird eine Platzordnung erarbeitet. Piktogramme sollen zeigen, dass Bier trinken, übernachten oder betteln unerwünscht sind, so Scheffer. Wie die Regeln durchgesetzt werden sollen, ist noch unklar. Der Platz gehört teilweise dem Bezirk und teilweise der landeseigenen Immobilienfirma BIM. Der Bezirk hatte den früheren Rathausturm an die BIM abgegeben; und damit einen Teil der Flächen. Streit über die Zuständigkeiten und Flächenverteilungen hatte den Baustart verzögert.

Kleiner Park mit Wiese und Bänken

Markant sind die drei Pappeln in der Mitte. Die große Rundbank drumherum ist schon länger fertig und beliebter Treffpunkt. Um die Beuth-Hochschule mit der Müllerstraße zu verbinden, wurden attraktive Wege zwischen Genter Straße und Müllerstraße gebaut. Zum einen entlang des Rathausaltbaus auf der ehemaligen Limburger Straße, die seit kurzem Elise-und-Otto-Hampel-Weg heißt, und zwischen Jobcenter und Bibliothek. Ursprünglich sollte der gesamte Rathausplatz nach den Weddinger Nazigegnern Hampel benannt werden. Wie berichtet, gab es um die Benennung des Rathausplatzes seit Jahren Diskussionen. Das Straßen- und Grünflächenamt (SGA) hatte die Benennung aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Der Elise-und-Otto-Hampel-Weg war der Kompromiss nach der gescheiterten Benennung des weiterhin namenlosen Rathausvorplatzes.

Die neuen Wege links und rechts des Jobcenterturms werden nachts beleuchtet. Auch zwei Tischtennisplatten hinter dem Hochhaus sollen für Leben sorgen auf dem Platz. Die Pläne stammen vom Landschaftsarchitektenbüro Annabau, das bereits 2013 einen Wettbewerb zur Neugestaltung des heruntergekommenen Rathausumfeldes gewonnen hatte. Die 70 Parkplätze hinter dem Rathausturm an der Genter Straße sind weg. Dort entsteht ein kleiner Park, in dem man auf der Wiese liegen oder auf mehreren Sitzbänken entlang der diagonal verlaufenen Wege ausruhen kann. Die Arbeiten in diesem Bauabschnitt sind noch nicht abgeschlossen. Die Namen der Städtepartner des Bezirks sind jetzt als Intarsien auf dem Platzfeld eingelassen. Früher hingen die Schilder an einem Masten, die in die Himmelsrichtungen der einzelnen Städte zeigten.

Gedenkstele für Otto und Elise Hampel

Neben dem Rathausaltbau an der Müllerstraße wurde im Juli eine Gedenkstele für Elise und Otto Hampel enthüllt. Sie informiert über die Weddinger Antifaschisten, die nun als Namensgeber für den Weg entlang der Rathauskantine geehrt werden. „Wache auf! Wir müssen uns von der Hitlerei befreien!“ steht auf der Stele geschrieben. Das ist der Original-Schriftzug einer Hampel-Postkarte. Auf der Rückseite gibt es in deutsch und englisch Informationen über das Ehepaar Hampel, ihre Postkarten-Widerstandsaktionen, ihre Verhaftung und Ermordung sowie deren künstlerische Würdigung durch Hans Fallada in seinem 1947 erschienenen Roman „Jeder stirbt für sich allein“.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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