Heimlich gedruckt und verbreitet
Neue Ausstellung über den Untergrundverlag „Die radix-blätter“ im „Kultur:Wagen“

Der „Kultur:Wagen“ steht bis Ende Juni auf dem Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“. | Foto: Bernd Wähner
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  • Der „Kultur:Wagen“ steht bis Ende Juni auf dem Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“.
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Der „Kultur:Wagen“ des Brotfabrik-Vereins „Glashaus“ ist wieder unterwegs. In diesem Jahr, in dem das Jubiläum „30 Jahre friedliche Revolution“ begangen wird, ist in dieser mobilen Galerie die Ausstellung „Über das Nein hinaus“ zu sehen. Die Kuratoren zeigen Dokumente aus den Jahren 1986 bis 1989 zum Berliner Untergrundverlag „Die radix-blätter“.

In dieser Ausstellung, die zunächst bis zum 30. Juni auf dem Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“ in der Prenzlauer Allee 227/228 zu sehen ist, wird anhand von zahlreichen Texten, Fotografien, Tonaufnahmen und Objekten die Geschichte der „radix-blätter“ nachvollzogen. Der Verlag steht exemplarisch für die konspirativen Untergrundverlage und -druckereien, die in den 1980er-Jahren in privaten Wohnungen und Ladengeschäften Ostberlins oppositionelle Texte und Kunstwerke vervielfältigten und verbreiteten.

Im Verlag erschienen mehr als 100 000 hektografierte Seiten, die in der ganzen DDR verteilt wurden, ohne dass der Geheimdienst es verhindern konnte. 136 Autoren setzten sich, nicht anonym, sondern unter ihrem tatsächlichen Namen, in den „radix-blättern“ mit Themen auseinander, die in der DDR sonst nicht öffentlich diskutiert werden konnten. „Das waren Themen, die heute immer noch aktuell sind: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, alte und neue Nazis, das Verhältnis der Deutschen zu Osteuropa, die Mauern im Kopf, die Strukturen von Macht, Herrschaft und Gewalt und der Wert von Demokratie“, sagt Petra Schröck, die Kuratorin der Brotfabrik-Galerie.

Stephan Bickhardt, ein junger Theologie- und Pädagogikstudent, gründete 1986 gemeinsam mit den Mathematikern Ludwig Mehlhorn und Konrad Blank den radix-Verlag mit einer illegalen und bis zum Ende der DDR unentdeckte Druckerei in der Ferdinandstraße 4 (später Knaackstraße 34). Dem Verlag standen zwei Ormig-Abzugsgeräte, die mit Spiritus-Matrizen arbeiteten, eine Legemaschine mit Handabzug und ein Fotokopierer zur Verfügung. Allein derartige Geräte privat zu besitzen war in Ost-Berlin strafbar.

Der restaurierte Bauwagen zeigt seit sechs Jahren Ausstellungen an unterschiedlichen Orten im Bezirk. In Kooperation mit dem Bezirksmuseum gab es 2013 eine erste Ausstellung über die Filmstadt Weißensee. In den folgenden Jahren war dann zum Beispiel eine Schau über den bekannten Graphiker Werner Klemke, eine Ausstellung mit Kunstwerken aus dem Inklusiv-Atelier der Brotfabrik und im vergangenen Jahr mit Bildern des Berliner Fotografen Jörn Reißig zu sehen.

Zu besichtigen ist die aktuelle Ausstellung im „Kultur:Wagen“ täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Nach dem 30. Juni soll die Ausstellung dann bis in den Oktober hinein an weiteren Standorten im Bezirk zu sehen sein.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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