Altem Fachwerk droht der Abriss
Protest im Kiez / Denkmalamt prüft Schutzstatus

Wollen den Schutz: Maria Reese mit Emilio Paolini (rechts) und Jürgen Kessling von der Wählerinitiative WisS. | Foto: Ulrike Kiefert
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Der geplante Abriss des Fachwerkhauses mit der Kneipe „Zur Traube“ und „Zigarren Lüdicke“ stößt im Kiez auf Kritik. Jetzt lässt das Landesdenkmalamt den Schutz des Hauses prüfen.

Einen Schönheitspokal gewinnt das Haus an der Ecke Pichelsdorfer Straße und Weißenburger Straße ganz sicher nicht mehr. In die Fernsehfilmkomödie „Die Schlikkerfrauen“ von 2014 hat es das Fachwerkhaus zwar noch geschafft. Es wirkt aber ein wenig verlebt, wie es so dasteht, mit Rissen im Gemäuer und blätternder Farbe. Das Gebäude, das einem Schweizer Immobilienunternehmen gehört, deswegen aber einfach abzureißen, das geht vielen Spandauern entschieden zu weit. Und doch ist es so.

Das historische Fachwerkhaus soll einem vierstöckigen Neubau mit Wohnungen und Gewerbe weichen. So berichten es die Mieter nach Gesprächen mit der Hausverwaltung. Laut Bezirksamt liegt noch kein Antrag auf Abriss vom Eigentümer vor. Die Mietverträge aber sind bereits gekündigt, Gewerbetreibende und Mieter sollen bis zum 30. September ausziehen. Konkret betroffen sind das Traditionsgeschäft „Zigarren Lüdicke“, Spandaus vermutlich älteste Eckkneipe „Zur Traube“, ein Friseur, eine Tischlerei, ein Atelier, eine Wohnung und zwei Garagen auf dem Hof.

"Die Kündigung kam zum 60. Geburtstag"

„Die Kündigung hat uns völlig überrascht“, sagt Maria Reese, Chefin der Kiezkneipe und Mieterin der Wohnung darüber. Als Mieterin kann sie zwar in eine angebotene Ausweichwohnung ziehen. Der Verlust der bekannten Kiezkneipe aber, die ein bisschen auch ein sozialer Treffpunkt ist, wiegt schwer. „Viele unserer Gäste kommen seit Jahrzehnten hierher, einige sind schon 90 Jahre alt. Und jetzt das.“ Andreas Wagner, Inhaber des Ladengeschäfts „Zigarren Lüdicke“, bekam die Kündigung genau zu seinem 60. Geburtstag. „Ich muss nach 18 Jahren schließen. Damit fallen auch drei Arbeitsplätze weg“, sagt Wagner. Zwar hatte er wie die Kiezkneipe immer nur einen Mietvertrag für ein Jahr. „Aber damit rechnet doch keiner. Wir sind hier im Kiez eine echte Institution.“

Die Abrisspläne haben nicht nur die Mieter überrascht. „Bisher sind die Spandauer fest davon ausgegangen, dass das Fachwerkhaus als weithin bekanntes Beispiel der Spandauer Rayonbebauung selbstverständlich unter Denkmalschutz steht“, sagt Emilio Paolini, Sprecher der Stadtteilvertretung Wilhelmstadt. „Sonst hätten wir dem Landesdenkmalamt schon längst den Hinweis gegeben, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen.“ Das ist nun nachträglich per Einschreiben passiert.

Rayonbebauung ist kaum noch vorhanden

Den Erhalt des Gebäudes, das am 1. August 1870 bezugsfertig war, verlangt auch der Vorsitzende der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau, Karl-Heinz Bannasch. „Das Fachwerkhaus ist ein wichtiges Zeugnis der ehemaligen Festungsstadt Spandau“, betont Bannasch. „Wenige dieser Gebäude aus der Zeit der Rayonbebauung sind heute noch in Spandau vorhanden. Schon aus diesem Grund ist es erhaltenswert.“ Solche Häuser stehen beispielsweise noch an der Wilhelmstraße 161 und der Pichelsdorfer 89 und 127. Vom Bezirksamt fordern die Heimatkundler, alle Maßnahmen einzuleiten, um den Abriss zu verhindern.

Das ist offenbar inzwischen geschehen, denn das Landesdenkmal Berlin teilt auf Nachfrage dieser Zeitung mit: „Aus dem Bezirksamt liegt uns die Bitte vor, den Denkmalwert des Fachwerkhauses zu prüfen“. Der Prüfantrag sei bereits in Arbeit. Wann die Prüfung abgeschlossen ist, kann das Amt noch nicht einschätzen. Sicher dürfte aber sein: Solange geprüft wird, kann nicht abgerissen werden.

Trotz der positiven Nachricht bleiben einige Fragen offen. Warum ist der Schutz für das historische Fachwerkhaus bisher unterblieben? Warum hat der Bezirk, der auf die Zuständigkeit des Landesdenkmalamtes verweist, eigene Schutzmöglichkeiten wie Erhaltungssatzungen nicht genutzt? Wieso haben die Bezirksverordneten oder der Stadtentwicklungsausschuss keinen Denkmalschutzantrag gestellt?

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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