Kommunale Galerie widmet sich dem Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg
Wilmersdorf. Zwischen Verwüstung und frischem Mut: Mit der Ausstellung „Aufbruch nach 1945“ zeigt die Kommunale Galerie zum 175. Geburtstag des Vereins Berliner Künstler die Spielarten der Kreativität bis zum Mauerbau. Eine Aufarbeitung, die noch längst nicht zu Ende ist.
Verrückt vor Hunger beißt der Mann in einen Baum. Und im Betrachter des Bilds von Andreas Weber steigt eine beklemmende Frage auf: War das eine Überspitzung oder nah an der Realität? Man wendet den Kopf und blickt auf ausgebombte Hauswände, auf Trümmerfrauen, die Schutt wegschippen, auf den zur Ruine zerfallenen Reichstag, gemalt von Paul Lehmann-Brauns. Man beachte: Er malte mit Öl. Ein kleiner Luxus in jener Epoche, als die meisten Mitglieder des Vereins Berliner Künstler (VBK) notgedrungen auf ihren Bleistift vertrauten.
„Es war ein großes Atemholen“, fasst Sabine Meister den Zustand der damaligen Kreativbranche zusammen. Als Kuratorin der Schau „Aufbruch nach 1945“ zeichnet sie Verantwortlich für eine Retrospektive, die sich jetzt in der Kommunalen Galerie ausgebreitet findet. Sie erzählt davon, wie sich die Kunstszene, organisiert im VBK, nach dem Bombenhagel erholte.
Gemeinsame Sache gemacht
Das Verblüffende: Regimetreue, Naziopfer und Neulinge mussten in der Sonderperiode bis zum Mauerbau gemeinsame Sache machen. Manche blendeten aus, was geschehen ist, andere verarbeiteten ihr Trauma auf direktem Wege, wieder andere flüchteten sich in die Abstraktion. Die individuellen Wege des Schaffens nach dem Grauen sieht man der Ausstellung an.
Dabei sind die 76 Gemälde, Grafiken und Plastiken von 49 Künstlern nur Auszüge aus einem schwer überschaubaren Fundus. So versteht sich die Schau auch als ein Stück Forschung. Meister hält es für möglich, dass Ausstellungsbesucher Fragen zu Werken und Persönlichkeiten klären können, die sie bislang nicht zu beantworten vermag. Eine Möglichkeit, bei der Zeitzeugen mit der Kuratorin ins Gespräch kommen können, ergibt sich bei einem Rundgang mit Sabine Meister am Mittwoch, 15. Juni, um 18 Uhr. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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