Alt und Jung: ziemlich beste Brieffreunde
Senioren erzählen wahre Kurzgeschichten aus dem Leben
Alte Menschen unterstützen, sie aus ihrer Einsamkeit holen, in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen bringen ist das Ziel des Projekts „GiG - Getragen in Gemeinschaft. Hochbetagt am Rande der Stadt.“ Gegründet Ende 2016 vom evangelischen Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf und umgesetzt in den Gemeinden Schlachtensee und Nikolassee, ist es durch verschiedene Aktionen bereits gelungen, kleine Netzwerke zwischen Alt und Jung zu knüpfen.
Erfolgreich läuft die Taschengeldbörse, bei der Jugendliche für ein kleines Entgelt Hilfeleistungen für Senioren übernehmen. Schüler des Dreilinden-Gymnasiums beschäftigen sich mit dem demographischen Wandel und laden Nachbarn im hohen Alter regelmäßig zu Gesprächen in die Schule ein. Jetzt gibt es zwei neue Bausteine im Programm: „Ziemlich beste Brieffreunde“ und „Kiezgeschichten Schlachtensee“. Dafür zuständig ist der Sozialpädagoge Lucas Piechotta, neuer Mitarbeiter von Projektleiterin Nicole Herlitz.
Die Brieffreundschaften sollten zwischen Fünf- bis Neunjährigen der Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule und interessierten Senioren entstehen. Die Einladungen dazu wurden in einem Gebiet nahe der Schule an Anwohner ab 75 Jahren verteilt.
Von den Eingeladenen zeigten einige schnell Interesse und begannen, Briefe an die Schüler zu schreiben. Darin stellten sie sich vor, berichteten aus ihrem Leben. In den Antwortschreiben der Kinder tauchten spannende und lustige Fragen auf. „Sie wollten zum Beispiel wissen, wie man Uropa wird“, erzählt Piechotta. „Eine andere Frage war: Hattest du trotz Krieg eine schöne Kindheit?“ Die Thematik „Krieg“ sei erstaunlich gut aufgenommen worden. „Ein Schüler malte im nächsten Brief eine Friedenstaube“, sagt Piechotta. Auch für die Senioren seien die Briefe eine positive Herausforderung, erklärt Herlitz. „Sie mussten überlegen, wie sie kindgerecht schreiben.“ Aus den Brieffreundschaften sollen sich im besten Fall Beziehungen zwischen Alt und Jung entwickeln.
Als Briefboten fungieren Studierende der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB), die auch an der Entwicklung der Kampagne beteiligt waren. Nach der Anfangsphase sei vorstellbar, die Brieffreundschaften auszuweiten, andere Klassen einzubeziehen, sagt Herlitz.
In den „Schlachtenseer Kiezgeschichten“ geht es um Erinnerungen und Anekdoten von alten Menschen. „Sie haben so viel zu erzählen, es wäre schade, wenn das alles in Vergessenheit geriete“, sagt Piechotta. Im Rahmen eines Erzählcafés treffen sich Senioren, tauschen sich über ihr Leben aus. „Wir suchen vor allem sehr persönliche Geschichten“ betont der Sozialpädagoge.
Zwölf Geschichten gibt es bereits. In einer davon berichtet Frau H. vom sogenannten Schwedenheim in der Schopenhauserstraße, in der sie Ende der 1950er eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsgehilfin absolvierte. Was aus der Einrichtung des Schwedisch-Christlichen Hilfswerks für alte und kranke Menschen geworden ist, weiß Frau H. leider nicht.
Frau M. erinnert sich an das Kriegsende 1945, als kaum noch Uhren funktionierten, auch nicht diejenige im Turm der Gemeinde Schlachtensee. Ihr Vater, der taub aus dem Krieg zurück kehrte, kletterte auf den Kirchturm und schaffte es irgendwie, die Uhr wieder zum Laufen zu bringen.
Beim Erzählen bleibt es allerdings nicht, in einem zweiten Schritt werden sie aufgeschrieben. „Wir möchten für 2019 einen Kalender für 2019 drucken lassen“, so Herlitz. Sie kann sich vorstellen, die Kalender an Senioren, die kaum Kontakte zu anderen Menschen haben, zu verteilen – über die Gemeindepfarrer oder Pflegedienste. Die Geschichten sollen weiter gesammelt werden. Eine Gelegenheit, selbst etwas zu erzählen, haben Interessierte im nächsten Erzählcafé am Freitag, 10. August, in der Gemeinde Schlachtensee, Matterhornstraße 37-39. Geöffnet ist ab 15.30 Uhr.
Ältere, die bei den Brieffreundschaften oder den Kiezgeschichten mitmachen wollen, können sich unter ¿0152 24 14 92 24, ¿0151 66 38 88 70 und per E-Mail an lucas.piechotta@teltow-zehlendorf.de melden.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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