Wie im Wilden Westen
Firma ignoriert Denkmalschutz und reißt altes Kesselhaus ab

17. Dezember 2019: Die Rechtsabteilung der Abteilung Stadtentwicklung steht auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG vor vollendeten Tatsachen. Einen Tag später steht auch der Rest des alten Kesselhauses nicht mehr.  | Foto: Stadtentwicklungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf
2Bilder
  • 17. Dezember 2019: Die Rechtsabteilung der Abteilung Stadtentwicklung steht auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG vor vollendeten Tatsachen. Einen Tag später steht auch der Rest des alten Kesselhauses nicht mehr.
  • Foto: Stadtentwicklungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf
  • hochgeladen von Matthias Vogel

Die Gesellschaft Berlinbiotechpark hat das alte Kesselhaus auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG an der Max-Dohrn-Straße abreißen lassen. Es stand unter Denkmalschutz und jetzt wird an allen Fronten gegen die Eigentümer-Gesellschaft ermittelt.

Das Kesselhaus mit seinen markanten Schornsteinen wurde in den Jahren 1958 und 1959 errichtet. Zusammen mit dem Fabrikgebäude aus dem Jahr 1895 und einem 1939 gebauten Verwaltungsgebäude, das zwischenzeitlich als Krankenhaus Jungfernheide genutzt wurde, und einem Labor bildet es ein Ensemble, das unter Denkmalschutz steht, gilt seit 1995 aber auch als Einzeldenkmal.

„Im Oktober erreichte uns die Nachricht, dass der Eigentümer mit den Abrissarbeiten begonnen hat“, berichtete Remzy Karaalp, Leiter der Stelle für Rechtsangelegenheiten, Abteilung Stadtentwicklung, während eines eigens anberaumten Pressegesprächs im Büro von Grünen-Baustadtrat Oliver Schruoffeneger. „Wir haben uns dann an Ort und Stelle davon überzeugen können, haben einen Baustopp verhängt und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Das Landesamt für Gesundheit, technische Sicherheit und Arbeitsschutz (LaGetSi) hatte einen sofortigen Baustopp verhängt“, fuhr Karaalp fort.

Davon ließ sich niemand beeindrucken, im Dezember wurden die Abrissarbeiten fortgesetzt. „Am 17. Dezember sind wir erneut dorthin gefahren und haben einen erneuten Baustopp angeordnet, da waren etwa 75 Prozent des Kesselhauses schon verloren. Einen Tag später bekamen wir dann vom Eigentümer die Nachricht, dass der Rest nun eingestürzt sei.“ Karaalp war merklich fassungslos ob des Tatsachen schaffenden Vorgehens. Zum einen, weil der Berlinbiotechpark bereits im Juli klipp und klar gesagt worden sei, dass das Kesselhaus unter Denkmalschutz steht, und zum anderen, weil das Wirken der ehemaligen Schering AG ein Stück Industriegeschichte von Charlottenburg und Berlins widerspiegele. „Das ist schon eine besondere Form der Dreistigkeit“, ergänzte Schruoffeneger.

Zwischen den beiden Abriss-Aktivitäten war die Bauaufsicht des Bezirks vor Ort. Weil der Kamin der Ruine auf ein benachbartes und in Betrieb befindliches Gebäude hätte stürzen können, hatte es sieben Mietern der Berlinbiotechpark dessen Nutzung untersagt. Beim Überprüfen wurde Jens Rehm von der Rechtsabteilung der Zugang verwehrt. „Es gab Handgreiflichkeiten und wir haben bei der Polizei Amtshilfe beantragt. Die sind dann mit vier Streifenwagen vorgefahren“, erzählte Jana Jaeuthe von der Bauaufsicht. Immerhin: Der Nutzungsuntersagung wurde Folge geleistet.

Gefallen lassen will sich der Bezirk das Gebaren der Eigentümerin freilich nicht. Wegen des nicht genehmigten Abrisses eines Baudenkmals kann die Firma mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld belegt werden. Dazu wird geprüft, ob sie das Gebäude wiederherstellen muss. Weil auf der Baustelle gefährliche Baustoffe wie Asbest sowie Chemikalien „kreuz und quer“ umher lagen, wie der Leiter des Umweltamtes, Wilhelm-Friedrich Graf zu Lynar, sagte, ermittele die Umwelt-Kripo und das LKA. „Das kann im Extremfall bis zur Gefängnisstrafe führen.“ Die Senatsverwaltung hat dem Unternehmen eine Anordnung auferlegt, wonach die Bauabfälle bis zum Abschluss der Untersuchungen nicht abtransportiert werden dürfen.“ Schruoffeneger kündigte zudem an, aus wirtschaftsrechtlicher Sicht die Zuverlässigkeit des Geschäftsführers überprüfen zu lassen. „Ist er es nicht, darf er kein Unternehmen führen.“

Pikant: Ein anderes Unternehmen reichte während des grotesken Szenarios am S-Bahnhof Jungfernheide einen Antrag auf einen Bauvorbescheid für einen Hotel- und/oder Büro-Komplex ein. „Die beiden Firmen sind voneinander unabhängig, wir gehen aber davon aus, dass sie sich abgesprochen haben“, sagte Jens Ehm. Eine derartige Nutzung des Areals wäre höchst lukrativ und würde Bußgelder verschmerzen lassen. Von Unwissenheit könne jedenfalls keine Rede sein, sagte Schruoffeneger. Und: „Es gibt sicher intelligentere Wege, eine Behörde von einer Nutzungsänderung zu überzeugen.“

17. Dezember 2019: Die Rechtsabteilung der Abteilung Stadtentwicklung steht auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG vor vollendeten Tatsachen. Einen Tag später steht auch der Rest des alten Kesselhauses nicht mehr.  | Foto: Stadtentwicklungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf
17. Dezember 2019: Die Rechtsabteilung der Abteilung Stadtentwicklung steht auf dem ehemaligen Gelände der Schering AG vor vollendeten Tatsachen. Einen Tag später steht auch der Rest des alten Kesselhauses nicht mehr.  | Foto: Stadtentwicklungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf
Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 133× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 919× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 588× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.976× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.