Hoffen auf externe Vermittler
90-Tage-Rat soll Konflikt am Holzmarkt lösen

Protestplakat am Holzmarkt. | Foto: Thomas Frey
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Die Präsentation glich einer Nummernrevue. Unter anderem traten auf: Regisseur Tom Tykwer ("Babylon Berlin"), der britische Stadtforscher Charles Landry und schließlich Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland (Bündnis90/Grüne), die Architektin Barbara Hoidn sowie der Hamburger Clubbetreiber und Projektentwickler John Schierhorn.

Auf den drei letztgenannten liegen jetzt die Hoffnungen beim verfahrenen Eckwerk-Projekt auf dem Holzmarkt-Gelände. Das Trio wurde am 27. November vorgestellt und bildet einen 90-Tage-Rat, der sich um Lösungen für dieses Bauvorhaben bemühen soll. Und das, wie der Titel klarmacht, innerhalb von ungefähr drei Monaten. Als neutrales Gremium, aber mit dem Ziel, so viel wie möglich von den Eckwerk-Plänen zu retten.

Die liegen, wie mehrfach berichtet, schon länger auf Eis. Zuletzt wurde die Auseinandersetzung durch eine Klage befeuert, die die Holzmarkt-Genossenschaft gegen das Land Berlin angestrengt hat. Darin wird eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 19 Millionen Euro verlangt. Unter anderem wegen bereits getätigter Ausgaben, etwa für Bauplänen oder auch wegen Verlust des Erbbaurechts, denn inzwischen hat die Schweizer Stiftung Abendrot, die das Gelände einst gekauft und die Holzmarkt-Genossen als Erbbaunehmer eingesetzt hatte, das Areal zurückgeholt.

Das Eckwert wurde gleichzeitig einmal mehr als herausragendes Beispiel futuristischen Bauens herausgestellt. Preise wären dafür schon abgeräumt worden, obwohl von den vorgesehenen 45 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche bisher nur Animationen existieren. Eine Vision für die Zukunft, die Arbeiten und Leben integriere. Wobei Details eher vage blieben, schon weil sich die im Zuge des Prozesses erst entwickeln sollten und jetzt vielleicht den drei Köpfen des 90-Tage-Rats etwas Manövriermasse bei ihrer Mediation geben.

Mangelnde Unterstützung beklagt

Die ambitionierte Ausrichtung des Eckwerks würde von Politik und Verwaltung nicht erkannt, klagte nicht nur Mario Husten, Geschäftsführer der Holzmarkt 25 Genossenschaft. Zumindest in den vergangenen zwei Jahren wäre das zu konstatieren. Anders als zuvor, als das Projekt namentlich vom ehemaligen Bürgermeister Dr. Franz Schulz und dem inzwischen verstorbenen Baustadtrat Hans Panhoff (beide Bündnis90/Grüne) Unterstützung erfahren habe. Das Herausstreichen seiner Vorgänger zielte, obwohl nicht namentlich genannt, auf den heutigen Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). Schmidt sieht noch einige Fragen ungeklärt, sowohl zum Baurecht, als auch zur künftigen Nutzung. Bei letzterem spielen vor allem die rund 600 Studentenwohnungen eine Rolle, die im Eckwerk unter Federführung der Gewobag entstehen sollen.

In diesem Umfang, das ließ Mario Husten erneut durchblicken, wäre das an dieser Stelle nicht möglich. Allein schon wegen der Lage an der Holzmarktstraße und Michaelkirchbrücke. Gerade dieses Hin und Her sei nach seiner Ansicht ein gutes Beispiel für das nicht stringente Vorgehen der Verwaltung. Auf der einen Seite werde auf Einhalten von Lärmschutzrichtlinien gepocht, andererseits wären aber massiver Verkehr und damit verbundener Krach kein Hindernis für großflächiges Wohnen. "Wir haben es hier offensichtlich mit einer Problemstellung zu tun, bei der die üblichen Lösungsverfahren des politisch-bürokratisch-juristischen Aushandelns an Grenzen geraten sind", formulierten die Holzmarkt Genossen. Zu dieser Situation habe ein "Dickicht von Gründen" geführt, an der sie sicher auch einen Anteil hätten und das sie auch in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat.

Folgen für das Holzmarkt-Dorf?

Zwar wird seit Mai 2017 das Holzmarkt-Dorf betrieben, bestehend aus Gewerbe, Ateliers, Gastronomie, einer Kita und viel Freifläche entlang der Spree. Auch Tom Tykwer nutzt dort Räume, schrieb dort an der dritten Staffel von "Babylon Berlin" und schwärmt von der Atmosphäre auf dem Areal.

Der Holzmarkt sei zwar erst einmal unabhängig vom Eckwerk zu sehen, aber so ganz eben auch doch wieder nicht, machte Mario Husten deutlich. Dort sei auf eine laut ursprünglichem B-Plan mögliche massive Bebauung verzichtet worden. Die sollte es beim Eckwerk geben. Zwar sei der jetzige Bestand des Holzmarkts gesichert, für die Zukunft ergeben sich aber ebenfalls Fragen.

Ein ziemliches Konglomerat, mit dem sich der 90-Tage-Rat deshalb beschäftigen muss. Es komme zunächst einmal auf eine verbale Abrüstung an, plädierte Wolfgang Wieland. Mit allen Beteiligten werde es Gespräche geben. Dabei müsse ausgelotet werden, was im rechtlichen Rahmen machbar sei. Und das solle auch offensiv ausgenutzt werden

Stadtrat irritiert von Vorstoß

Ähnlich klang das bei Barbara Hoidn, einst Leiterin der Architekturwerkstatt des Berliner Senatsbaudirektors. John Schierhorn soll wiederum den Blick von außen gepaart mit Erfahrungen durch Hamburger Aushandlungsprozesse beisteuern. Für ihn ist der Holzmarkt, respektive das Eckwerk, eine Fläche, auf die inzwischen nicht nur Berlin, sondern Deutschland, ja Europa schaue.

Stadtrat Schmidt reagierte auf den 90-Tage-Vorstoß in einer ersten Stellungnahme sehr zurückhaltend. Bisher sei ihm diese Idee nur durch Anfragen bekannt. Sobald eine Einladung vorliege, könne der Vorschlag geprüft werden. Es sei für ihn aber kein geeignetes Vorgehen, wenn erst Klage erhoben und dann ein "neutraler" Rat eingesetzt werde, der jedoch einseitig festgelegt sei, ließ Florian Schmidt ebenfalls verlauten. "Hier erkenne ich bedauerlicherweise erneut die mittlerweile bekannte Linie der Holzmarkt eG, die glaubt, über politischen Druck ihre Interessen durchsetzen zu können". Das sei jedoch nicht möglich. Und nicht nur deshalb halte er das Einsetzen eines Rates zunächst nicht für geboten.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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