Digitalisierung mit Sturm und Drang
Die Plattform Sofatutor profitiert vom Homeschooling

Im interaktiven Lernen liegt die Zukunft, ist Sofatutor-Gründer und -Chef Stephan Bayer überzeugt. | Foto: Sofatutor
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  • Im interaktiven Lernen liegt die Zukunft, ist Sofatutor-Gründer und -Chef Stephan Bayer überzeugt.
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Die Grundrechenarten sind natürlich wichtig und vielleicht besser einzuprägen, wenn sie von bewegten Bildern erklärt werden. Wie auch weiterer Unterrichtsstoff auf knapp 11 000 Videoclips.

Sie finden sich auf der Plattform Sofatutor. Ebenso wie rund 37 000 Arbeitsblätter und mehr als 42 000 Übungen. Bleiben Fragen offen, können sie im Chat geklärt werden.

Die Plattform mit analoger Adresse in der Grünberger Straße gehört in Zeiten von Homeschooling zu den Unternehmen der Stunde. Zu den aktuell rund 600 000 Kunden kommen gerade rund eine Million dazu, die das Angebot eines auf einen Monat begrenzten kostenlosen Schnupperabos nutzen.

Sofatutor-Gründer und -Chef Stephan Bayer widerspricht nicht, wenn er zu den Profiteuren der derzeitigen Situation gezählt wird. Aber sein Blick geht weiter. Corona sorge im Schnellverfahren für den größten digitalen Umwandlungs- und Weiterbildungsprozess im Schulbereich. Mit Veränderungen, die weit über die Krise hinauswirken würden. Klar, der Mann muss so reden. Schließlich verdient er mit interaktiven Lernformen sein Geld. Auch wenn sich Stephan Bayer selbst als "Überzeugungstäter" sieht. Seine Plattform gibt es seit 2008. Sie schreibe nach großen Investitionen inzwischen "eine schwarze Null", ist also ihrerseits auf kommende Aufgaben vorbereitet.

Wissen kurzweilig vermitteln

Die Schulen sind vom Lockdown kalt erwischt worden. E-Learning war gerade in Berlin bisher nicht unbedingt ein wichtiger Bestandteil. Ganz zu schweigen von Unterricht aus dem Homeoffice. Manche Eltern haben in den vergangenen Wochen darüber geklagt, dass von manchen Lehrern ihrer Kinder kaum etwas zu hören war. Schon deshalb hätten sie häufig neben eigener Arbeit noch den Part der Ersatzpädagogen übernehmen müssen. Gerade unter diesen Betroffenen hat Stephan Bayer zuletzt neue Kunden gewonnen. Er lieferte den Stoff, der gebraucht wurde.

Seine Videos und Arbeitsblätter sind professionell gemacht und vermitteln Wissen häufig auf kurzweilige Art, gern unterfüttert von Symbolen oder Figuren, passend für jede Jahrgangsstufe, Schulform und jedes Unterrichtsfach: von chemischen Formeln bis zur literarischen Gattung des "Sturm und Drang". Alles basiert auf pädagogischer Beratung. Rund 120 Lehrerinnen und Lehrer würden als Experten bei Sofatutor mitarbeiten, sagt der Chef. Ebenso wie für Rückfragen und Chatnachrichten bereit stehen – ein Angebot auch für Kollegen, die sich in der digitalen Welt erst noch zurechtfinden müssen. Denn das Rad lasse sich nicht mehr zurückdrehen. Es gehe jetzt nur noch darum, auf welche Schienen es gelegt werde.

Stadtstaat Bremen ist größter Kunde

Es werde noch lange dauern, bis in den Schulen wieder ein einigermaßen ähnlicher Betrieb stattfinden könne wie vor Corona, ist Stephan Bayer überzeugt. Das bedeute aber, die Schüler bekämen dort nur reduzierten Unterricht. Sie nur mit einer Halbbildung zu versorgen, könne aber nicht das Ziel sein. Schon wegen der Auswirkungen auf den späteren Lebensweg. Also müsse auch der Teil, der zu Hause sitzt, sinnvoll beschäftigt werden. Und damit landen wir wieder bei Sofatutor.

Argumente, die auch Einwände und Fragen provozieren. Etwa die, wie sich die häufige Anwesenheit des Nachwuchs in den eigenen vier Wänden auf den Familienfrieden auswirkt oder ob die Eltern nicht doch weiter vom Lernstress belastet werden.

Eben nicht, kontert Bayer. Gerade, wenn das Kind eine Frage habe, sei es besser, auf seine Plattform zu verweisen, bevor Mutter oder Vater selbst ihr nicht mehr vollkommenes Wissen über Sinus oder Kosinus mit zunächst eigener Recherche wieder vervollständigen.

Anderes Problem: In manchen Familien gibt es überhaupt keinen Computer, Laptop oder Notebook. Das stimme nur für wenige, hält Beyer dagegen und verweist auf Untersuchungen in Bremen. Dort wäre das nur bei drei Prozent der Haushalte der Fall. Für die könnte zum Beispiel die Schule entsprechende Geräte besorgen. Bremen führt er immer wieder als Beispiel an, denn der Stadtstaat ist sein größter Kunde. Das Bundesland hat Sofatutor für alle seine Schulen geordert.

Lösung für Lehrermangel

Anders als bisher Berlin, wo derzeit nur einige, vor allem Privatschulen, die Plattform nutzen. Dabei gebe es Interesse von vielen Schulleitungen, versichert Stephan Bayer. Aber so lange die nicht darüber selbst entscheiden könnten, wären ihnen die Hände gebunden. Von einer landesweiten Ausstattung ganz zu schweigen. Dabei werde auch in Berlin die Bildungsverwaltung um solche Angebote nicht herumkommen, ist Beyer überzeugt. Und sie selbst zu entwickeln, wäre ziemlich teuer. Warum also nicht auf schon Bestehende zurückgreifen?

Durch Corona seien zwar die Notwendigkeit digitaler Lernmöglichkeiten und die Defizite konkret aufgezeigt worden. Die Pandemie hätte aber einen ohnehin unumkehrbaren Trend nur beschleunigt. Interaktiver Unterricht werde so oder so zum Thema der Zukunft. Denn anders lasse sich nach Ansicht von Stephan Bayer der Schulbetrieb überhaupt nicht mehr aufrecht erhalten.

Diese These unterfüttert er vor allem mit dem schon jetzt akuten Lehrermangel. Der werde sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Wenn aber bereits das Personal fehle, brauche es alternative Formen der Organisation und Wissensvermittlung. Etwa dergestalt, dass sich nicht jeden Tag alle Kinder in der Schule versammeln, sondern ein Teil von ihnen parallel dazu am heimischen Computer seinen Aufgaben nachgeht.

Die Website findet sich unter www.sofatutor.com.

Im interaktiven Lernen liegt die Zukunft, ist Sofatutor-Gründer und -Chef Stephan Bayer überzeugt. | Foto: Sofatutor
Länderkunde als Comic: ein Sofatutor-Videobeispiel. | Foto: Sofatutor
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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