Ausstellung konfrontiert das "ND" mit seiner Vergangenheit
Im Foyer des Gebäudes wird bis 24. Oktober eine Ausstellung gezeigt, die sich auf ganz eigene Weise mit dem Agieren des ND zur Wendezeit vor 25 Jahren beschäftigt. Nämlich in Form von verfremdeten Zeitungsseiten aus dieser Epoche.
Sie stammen von Matthias Görnandt. Der heute 62-jährige Maler, Grafiker und Autor hat zwischen Ende September und Anfang November 1989 die Verlautbarungen des Neuen Deutschland übermalt und ihre Aussagen damit ins Gegenteil verkehrt. Seinen Werken gab er jeweils Namen und stellte den ganzen Zyklus unter die Überschrift "Aus dem Leben der Indianer". Ein Synonym für die DDR-Bürger und ihre Führung, letztere werden deshalb als Häuptlinge oder Oberindianer bezeichnet.
So wird bei Görnandt beispielsweise aus einem Bericht über hohe staatliche Auszeichnungen im ND vom 5. Oktober 1989 der Titel: "Die besten Indianer bekommen einen Preis". Den vorwiegend fett gesetzten Aufmacher zu den Feiern zum 40. Republikgeburtstag am 7. Oktober stellte er auf den Kopf und versah ihn mit dem Zusatz: "Der Kopfstand der Indianer". "Geburt bei Gewitter hoffnungslos". So sein Kommentar nach Erich Honeckers Sturz als SED-Chef und den Nachfolger Egon Krenz in der Ausgabe vom 19. Oktober. Fünf Tage vorher stand die Parole "Im festen Bündnis lösen wir die Aufgaben mit dem Volk und für das Volk", über einer Art Durchhaltepamphlet im Neuen Deutschland. Daraus wurde: "Die Unterindianer lassen sich von den Oberindianern über die Form ihrer Grabmale beraten."
Die Sammlung endet noch vor dem Mauerfall mit der Ausgabe vom 6. November. Schon zu diesem Zeitpunkt konnte sich aber selbst das ND den Veränderungen nicht mehr völlig entziehen. Es berichtete über die Großdemonstration vom 4. November auf dem Alexanderplatz. Ein weiteres wichtiges Thema war das zunächst geplante neue Reisegesetz. Die massive Kritik an den dabei weiter vorgesehenen Einschränkungen mündeten schließlich in die so nicht geplante Öffnung der Grenze drei Tage später. "Das Volk feiert die Befreiung von den alten Indianern. Die neuen Indianer wachen auf", lautet die Anmerkung dazu.
Der Macht der Zeitungsworte sei durch sein Übermalen gebrochen worden, meint Matthias Görnandt. Es geschah, "um meine Fassungslosigkeit beim Lesen zu überwinden und Frustration durch Lachen und Spielerei abzuwehren."
Seine Blätter seien nach diesen historischen Wochen in der Tiefes seines Schranks verschwunden und zufällig just in diesem Jahr wiederentdeckt worden. Er zeigte sie einem Freund, der wiederum die Ausstellung in die Wege leitete.
Geöffnet ist täglich von 9 bis 21 Uhr.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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