Explosive soziale Mischung: Interview mit Albrecht Lüter, Leiter der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention

Albrecht Lüter, Leiter der Berliner Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention. | Foto: privat
  • Albrecht Lüter, Leiter der Berliner Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Harald Ritter

Marzahn-Hellersdorf. Die Vorfälle von Jugendgewalt scheinen im Bezirk zahlreicher und brutaler zu werden. Berliner-Woche-Reporter Harald Ritter sprach dazu mit Albrecht Lüter, Leiter der Berliner Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention.

Anfang Oktober überfielen an dem S-Bahnhof Mehrower Allee zehn Jugendliche ein Bistro und verlangten kostenlos Bier. Es kam zu einer Schlägerei auch mit anderen Gästen. Passt das ins Bild der Jugendgewalt im Bezirk?

Albrecht Lüter: Das passt schon, verstellt aber auch ein wenig den Blick auf die eigentlichen Probleme. Da geht es nicht immer um solche medienwirksamen Gewaltvorfälle. Gerade in Marzahn-Hellersdorf finden Gewaltvorfälle oft an den Schulen statt. Hier liegt der Bezirk weiterhin mit großem Abstand an der Spitze von Berlin.

Wie steht Marzahn-Hellersdorf in puncto Jugendgewalt im Berliner Vergleich tatsächlich da?

Albrecht Lüter: Das Positive vorweg: Die Zahl der registrierten Gewaltvorfälle nimmt in den letzten Jahren wieder ab. Aus dem Bezirk werden aber weiterhin überdurchschnittlich viele Vorfälle gemeldet, an denen Kinder und Jugendliche beteiligt sind. Betrachtet man nicht nur den Schulbereich, sondern alle Tatorte, kommen in Berlin nur Bezirke mit sehr viel Publikumsverkehr auf höhere Werte.

Wieso sind Jugendliche hier so gewaltbereit?

Albrecht Lüter: Viele Familien mit geringem Einkommen wohnen mittlerweile am Stadtrand. Hier gibt es noch bezahlbare Wohnungen. Die soziale Mischung in den Kiezen, vor allem in den Großsiedlungen, hat sich verändert. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf die Erziehung. Kinder und Jugendliche sind im häuslichen Raum öfter mit Gewalt konfrontiert. Kinderarmut und der Anteil Alleinerziehender sind erhöht. Wo Eltern mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt sind, können Kinder schnell zu kurz kommen. Und im schlimmsten Fall reagieren sie dann mit Gewalt.

Trifft das so nur auf Marzahn-Hellersdorf zu?

Albrecht Lüter: Sicher nicht. Neben innerstädtischen Brennpunkten weisen auch Stadtrandregionen in Lichtenberg, Spandau oder Reinickendorf, etwa im Märkischen Viertel, erhöhte Belastungen auf. Bei Marzahn-Hellersdorf sind wir gerade dabei, noch etwas genauer hinzuschauen. Hier scheint es einige Besonderheiten zu geben.

Welche Besonderheiten sollen das sein?

Albrecht Lüter: Im Jugendbereich ist die Polizei in Strafverfolgung und Prävention sehr aktiv. Im Bezirk finden sich viele Verfahren nach dem sogenannten Neuköllner Modell: Straftaten von Jugendlichen werden vergleichsweise konsequenter verfolgt und schneller geahndet. Das schlägt sich in der Statistik möglicherweise in Form höherer Werte nieder.

Wird für die Gewaltprävention bei Jugendlichen genug getan?

Albrecht Lüter: In Brennpunkten bleibt die Gesellschaft immer gefordert, soziale Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen auszugleichen und damit auch Gewalt vorzubeugen. Hier muss man genau hinschauen. Auch in Marzahn-Hellersdorf gibt es Schulen, wo es funktioniert, und andere, in denen sich Schwänzen und Gewalt häufen. Ein Schlüssel ist die Verbesserung des Schulklimas, etwa über neue Mitbestimmungsmodelle für Schüler und die bessere Unterstützung der Eltern in Erziehung und Bildung.

Wie sehen Sie die Aussichten für die Zukunft?

Albrecht Lüter: Es muss mehr in den Stadtgebieten am Rande Berlins getan werden. Was aus den bisherigen Koalitionsgesprächen zur Neubildung des Senats bekannt wurde, lässt hoffen, dass das auch die Politik erkannt hat.

Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 233× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 992× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 651× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.140× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.030× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.