Guckkasten im Kellerfenster
Künstler Cisel stellt seine Kunst gratis aus

Aus dem langweiligen Kellerfenster seines Hauses hat Karsten Cismowski eine spannende Minigalerie gemacht.  | Foto: Foto: Ulrike Kiefert
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Was sich für Künstler nicht von selbst versteht, macht Karsten Cizmowski anstandslos. Er stellt seine Kunst auch gratis aus – im Schaufenster seines Kellers.

Der Künstler steht am Fenster und schaut hinunter auf die Straße. Lange warten muss er nicht. Die ersten Schulkinder kommen und drücken sich am Kellerfenster seines Hauses, Anklamer Straße 51,  die Nasen platt. Karsten Cizmowski lächelt. Das ist genau das, was seine Kunst will, dass Menschen wieder gucken (lernen). Deshalb sind seine meist handlichen Objekte so detailreich, manchmal verspielt, aber immer kunstvoll.

Wie seine aktuelle Arbeit, die das langweilige Kellerfenster zur spannenden Minigalerie macht. Zwei schmale Boote, die sich im See spiegeln, darin zwei Ruderer aus blauer und grüner Plastelina, rankende Pflanzen und ein warmes Spotlight, das alles romantisch in Szene setzt. Für den 3D-Effekt hat Karsten Cizmoswki eine Fotofolie zerschnitten. So wird aus dem schnöden Fensterloch ein echtes Guckkastenbild. Für zwei, drei Wochen, dann folgt das nächste Objekt.

„Wenn ich Kunst mache, tanzt mein Herz"

Oben, in seinem Wohnzimmer, hängt und steht noch viel mehr Kunst. Großformatige Bilder, Portraits, Landschaften mit oder ohne Raumschiff, Abstraktes, Tuschezeichnungen, Skulpturen. Titel tragen sie keine, sie sollen sich selbst erklären, sagt Cicel. Das ist sein Künstlername, den bürgerlichen hört Karsten Cizmowski nicht so gern. „Mich kennen alle als Cisel.“ Das war früher sein Straßenname als Skater. Der 51-Jährige stammt aus Herten, einst Europas größte Bergbaustadt im Ruhrgebiet. In Berlin lebt er seit 29 Jahren, hat in der Filmszene als gelernter Maskenbildner große Schauspieler wie Mads Mikkelsen und Anna Thalbach geschminkt, selbst kleinere Rollen gespielt, die Musiker von Rammstein fürs Plattencover zurechtgemacht, Clubs und Szenekneipen wie das „Fleisch und Wurst“ in Mitte mitbetrieben.

„Mein Herz aber hat immer für die Kunst geschlagen“, sagt Cicel. Schon als Kind hat er gezeichnet, meist Raumschiffe, die auch heute noch viel Platz in seiner Kunst einnehmen. Da ist zum Beispiel die alte Espresso-Maschine, an der Cisel gerade arbeitet. Die hat er mit dem Dremel zugeschnitten, mit Schleifpapier geschliffen und mit Feuer entlackt. Eine Spielfigur und Leuchte hineingestellt – fertig. Vorsicht, das Space Shuttle hebt gleich ab. Auch einen alten Vespa-Motor hat er in ein fliegendes Kunstobjekt verwandelt. „Ufos sind für mich der Geist, die Gedanken, die immerfort aus dem Kopf fließen. Alles ist in Bewegung und die Zeit nicht messbar“, beschreibt der Freigeist seinen Antrieb. „Wenn ich Kunst mache, tanzt mein Herz, das ist für mich wie Zen.“

Mit Eisen, Feder, Tusche und Granitstiften arbeitet Cisel bevorzugt. „Das ist ein geiles Material.“ Er mag simple Dinge. „Das Leben ist doch im Grunde auch nicht kompliziert.“ Er erzeugt aber auch gern Chaos, daraus kann er dann wieder wegnehmen, wegstreichen. Kunst in Bewegung, das formt auch ihn als Künstler. Wenn er malt, hört er Krautrock oder japanische Klassik.

Skizzenbuch immer dabei

In Japan hat er Anfang des Jahres ausgestellt. Eine Freundin vermittelte ihm den Kontakt. Elf Bilder hat er nach Fukuoka mitgenommen, sechs verkauft, fünf verschenkt. Dass er seine Kunst mit anderen gratis teilt, wie die im Fenster seines Kellers, ist für Cisel Herzenssache. „Ich mache das aus Liebe, wenn ich nur einen Menschen damit berühre, dann genügt mir das.“

30 Bilder und Objekte, die in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind, hat er bei Instagram unter @cisel.x dokumentiert. Die anderen sind eingelagert oder vernichtet – aus Platzmangel oder weil sie ihn langweilten. Auch das gehört zum Schaffensprozess.

Wenn Cisel mal nicht „schafft“ und wieder zu Karsten Cizmowski wird, geht er spazieren, sitzt auf einer Parkbank und beobachtet Menschen. Sein Skizzenbuch hat er immer dabei – für die nächste kreative Idee.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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