Schneewittchen aus der Eisbude
Berlins kleinster Buchladen verkauft modernen Grimm-Klassiker

Mutig in Corona-Zeiten: In seinem Pop-up-Buchladen verkauft Stephan Kalinski nur ein Buch.  | Foto: Ulrike Kiefert
7Bilder
  • Mutig in Corona-Zeiten: In seinem Pop-up-Buchladen verkauft Stephan Kalinski nur ein Buch.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Am Weinbergsweg hat Berlins kleinster Buchladen eröffnet. In dem Pop-up-Store verkauft Stephan Kalinski auf zehn Quadrametern nur ein Buch: die moderne Version vom Schneewittchen.

Er ist klein, fast winzig und hat schon etliche Touristen in die Falle gelockt. Denn was da hinter dem Plexiglas so bunt die Eisvitrinen füllt, ist kein Kugeleis. Es sind Bücher, genauer gesagt, ein Buch, farbenprächtig illustriert. „Schneewittchen und die sieben Zwerge: A modern Retelling“ heißt es. Stephan Kalinski verkauft es in Berlins kleinstem Buchladen am Weinbergsweg 21. Der ist nur zehn Quadratmeter groß und eigentlich eine Eisbude. Weil dort den Winter über aber nicht viel los ist, hat der Friedrichshainer den Laden für drei Monate und 2500 Mal Schneewittchen gemietet.

So hoch ist die nämlich die erste Auflage des Grimm'schen Klassikers, den Stephan Kalinski und der befreundete Iain Botterill fantastisch neu erzählen. „Wir haben das Märchen nicht radikal umgeschrieben, aber entscheidend geändert“, sagt Kalinski. „Um es anzupassen an die heutigen Werte und Ideale für Mädchen und Jungen.“ Darum heißt es zum Beispiel „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Mutigste im ganzen Land?“ Aus Schneewittchen wird also nicht das schönste, sondern das mutigste Mädchen. Und weil tapfere Mädchen selbstbewusst sind, ist Snow White Sabrina auch nicht den lieben langen Tag am Putzen und Kochen, sondern bringt den sieben Zwergen das Lesen und Schreiben bei. Die wiederum heißen Leyla und Li, Egbo und Akashi, kommen aus Europa, Asien und Afrika. Völlig neu verteilt sind auch die Rollen. Da wechselt der König schon mal die Windeln seiner neu geborenen Tochter. Der Prinz folgt am Ende Schneewittchen, nicht umgekehrt, und die dunkle Königin ist nicht von Beginn an böse. Kurzum, der Klassiker räumt mit Stereotypen auf, bleibt dabei aber bezaubernd und märchenhaft. „Die ideale Geschichte zum Vorlesen, auch und gerade in Zeiten von Corona“, sagt Stephan Kalinski.

Als nächstes ist Aschenputtel an der Reihe

Doch wie ist die Idee zum Buch überhaupt entstanden? „Ganz einfach“, verrät Kalinski. Er hat seinen sechsjährigen Tochter abends das Märchen vorgelesen und aus der „schönsten“ die „mutigste“ Prinzessin gemacht. Damit seine Tochter nicht denkt, Schönheit sei das Wichtigste bei einer Frau. „Wir haben die Geschichte dann beide weitergesponnen, so hat alles begonnen.“ Zunächst wurde ein Hörbuch daraus, aufgenommen in einem kleinen Musikstudio in Prenzlauer Berg. Dann reifte die Idee zum Buch. „Viele Eltern lesen ihren Kindern gar keine Märchen mehr vor. Sie sind ihnen zu brutal, sexistisch und nicht mehr zeitgemäß“, weiß Stephan Kalinski von Freunden und Bekannten. „Darum haben wir diese moderne Version verfasst.“ Die Illustrationen übernahm eine italienische Freundin. Kalinski und Botterill schrieben zusammen den Text, gründeten 2019 den Buchverlag „Instinctively“ und brachten Schneewittchen auf 56 Seiten als moderne Neuerzählung heraus. 2500 Mal in Deutsch, 2500 Mal in Englisch und Französisch.

15 Exemplare hat Stephan Kalinski seit Eröffnung des Pop-up-Buchladens Mitte November verkauft. „Es läuft langsamer an als gedacht. In den ersten Tagen kamen nur Leute rein, die Eis kaufen wollten.“ Der Unternehmer und Buchautor nimmt's gelassen. Was nicht ist, kann ja noch werden. Seine beiden Kinder – Kalinski hat noch einen vierjährigen Sohn – lieben jedenfalls das Buch. Und das nächste Märchen ist auch schon am Werden. „Aschenputtel“ soll Anfang nächsten Jahres erscheinen. Das wäre dann das zweite Buch aus der Reihe „Fairy Tales Retold“, mit der die Verlagsgründer traditionelle Erzählungen in Frage stellen wollen.

Der Pop-up-Buchladen bleibt bis Anfang Februar am Weinbergsweg 21. „Schneewittchen“ ist für knapp 20 Euro zu haben. Wer mehr Infos braucht, schreibt Stephan Kalinski: pr@fairytales-retold.com.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 268× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 334× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 329× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 181× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 381× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 708× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.