Tuntenspaziergang, Queere Sichtbarkeit
Vier mal ist viel und doch viel zu wenig

Dumme Sprüche, Diskriminierung, im günstigsten Fall Spott und hämisches Lachen, im schlimmsten Fall brutale Angriffe auf Gesundheit und Leben. Hinnehmbar ist beides nicht. Immer noch ist in der Gesellschaft nicht angekommen, dass die so genannte heteronormative Lebensweise nicht die einzige und das Nonplusultra ist. Schwul-lesbische Lebensführung mit all ihren Facetten ist genauso normal wie die heterosexuell ausgerichtete. Wer das nicht einsieht, ist einfach nur dumm und weltfremd. Dabei ist es völlig unwichtig, wer mit wem geht oder lebt und ob man so oder anders auf andere wirkt. Warum wird sich über einen Mann mit femininen Bewegungen oder über eine Frau mit maskulinem Erscheinungsbild so abwertend lustig gemacht, während nazistische Erscheinungen mit ihrem dummen Geschwätz stillschweigend geduldet werden? Die Antwort ist vielleicht gar nicht mal so schwer zu finden. Das Zauberwort heißt “Sichtbarkeit”. Unbekanntes mögen die Menschen nicht. Unbekanntes macht Angst, fördert also Ablehnung, die eine Abwehrhaltung erzeugt. Damit ist die Basis für Hetze geschaffen, die andere für die eigene Auffassung gewinnen soll, allerdings mit der Absicht, eine andere Meinung nicht zu akzeptieren und um sich nicht selbst reflektieren zu müssen. Je größer die Gleichgesinnten, umso sicherer fühlt sich der Mensch, was bedeutet, die Angst wird kleiner. Gleichzeitig steigt das Machtgefühl und das mündet bei einigen letztendlich in Hass gegen jeden, der anders als man selber ist. Wenn nun aus etwas Unbekanntem aber etwas Bekanntes wird sinkt die Gefahr der Angst, und damit der grundbedingten Abwehrhaltung. Um etwas bekannt zu machen, braucht es die ständige Sichtbarkeit in unserer Gesellschaft, denn Gewohnheit schafft bekanntlich so etwas wie “Normalität”, welche dann zur Akzeptanz der Sache an sich wird.
Anfang Juni findet der vierte Tuntenspaziergang in Berlin-Mitte statt. Queere Menschen spazieren in bunten Outfits durch den Bezirk und zeigen: Wir sind da! Wir leben hier! Wir sind viele! Wir gehören zur Gesellschaft! Gemeinsam zeigen homo- wie heterosexuelle Menschen Stärke und Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir fordern ein sicheres Zusammenleben ohne Angst und Diskriminierungen jedweder Art - unser gesetzlich verbrieftes Grundrecht - ein. Wir werden sichtbar und dadurch zur “Normalität” in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben. Die Zeiten des Versteckens ist ein für allemal vorbei. Ein Zurück gibt es nicht, denn die rechte Stimmung hat Einzug gehalten in die Politik, schürt Aufruhr, Hetze und Hass unter den Menschen. Nicht zuletzt deshalb sind queere Veranstaltungen so wichtig und unverzichtbar für die Community, wie für unsere gesamte Gesellschaft, für ein gutes faires Zusammenleben, in dessen Zuge jede/r jede/n respektiert und akzeptiert. Seit vier Jahren werden wir durch den Tuntenspaziergang einmal mehr sichtbar. Vier Mal ist viel - und doch viel zu wenig.

Autor:

Tom Mikow aus Wartenberg

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