Stephan von Dassel kämpft gegen Betrügereien von Pflegediensten im Bezirk
Für den Bezirk schätzt von Dassel den Schaden auf sechs Millionen Euro jährlich. Seit vier Jahren versucht das Sozialamt von Mitte systematisch, unseriöse Geschäftspraktiken von Pflegediensten aufzudecken. Leistungen, die nie erbracht wurden, werden abgerechnet. Angebliche Pflegebedürftige sind putzmunter und kassieren mit. Die Mitarbeiter der Pflegedienste haben keine Ausbildung und arbeiten schwarz. So entsteht dem Bezirk pro Fall ein Schaden von bis zu 60.000 Euro im Jahr. Noch nicht eingerechnet sind die erschlichenen Leistungen der Pflegeversicherung.
Da ist ein Mann Anfang 70, orientierungslos, dement, depressiv und inkontinent, der einen Rollstuhl braucht. Er spricht, wenn überhaupt, nur Russisch. Pflegestufe 1. In Wahrheit aber ist der Mann "fit wie Turnschuh". Die Windeln werden für seine Dogge verwendet, wenn sie bei Herrchen im Bett schläft. Zu Einkäufen fährt er mit dem Fahrrad. Er spricht fließend Deutsch und ist aktiv. Oder der knapp 60-Jährige in Pflegestufe: bettlägerig, bewegungsunfähig, an alkoholbedingtem Gedächtnisschwund leidend. In Wirklichkeit lebt er mit einer Mitarbeiterin des betreuenden Pflegedienstes zusammen, hält zwei große Hunde und erfreut sich bester Gesundheit.
2600 Pflegebedürftige in Mitte erhalten vom Bezirk finanzielle Hilfe zur Pflege. Bei der Hälfte "stimmt etwas nicht." Der Sozialstadtrat spricht von einem "absoluten Sumpf" und "vorsätzlich organisiertem Betrug", gar von mafiösen Strukturen. Im Januar lagen der Berliner Staatsanwaltschaft 223 Anzeigen gegen insgesamt 154 Pflegedienste vor. Doch die meisten Verfahren würden eingestellt. "Es gibt zu wenige Verurteilungen", beklagt Stadtrat Stephan von Dassel und fordert unter anderem eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für solche Delikte, eine bessere Zusammenarbeit aller beteiligten Kostenträger und ein polizeiliches Führungszeugnis für Beschäftigte von Pflegediensten.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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