Der Cellist Thomas Beckmann gibt am 3. April in Berlin ein Benefizkonzert
Herr Beckmann, wie ist Ihr Verein "Gemeinsam gegen Kälte" eigentlich entstanden?
Thomas Beckmann: Als 1993 in Düsseldorf zwei Frauen erfroren, gingen vorher unzählige Menschen an ihnen vorbei. Jeder dachte, der Staat würde sich um sie kümmern. Das war eine fatale Fehleinschätzung. Damals begannen wir, Schlafsäcke zu verteilen. Denn viele Bedürftige haben den roten Faden ihres Lebens verloren. Sie brauchen Zuwendung und nicht Verhöhnung à la Thilo Sarrazin.
Der Verein hat prominente Unterstützer wie den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Wie haben Sie das geschafft?
Thomas Beckmann: Wir waren eine private, örtliche Initiative. Eine bundesweite Ausdehnung traute ich mir nicht zu. Nach einem schweren Autounfall 1995 bekam ich mein Leben neu geschenkt und startete durch. Es sollte aber nicht wie ein PR-Gag wirken. Deshalb holte ich die Diakonie, Caritas, Stadtverwaltung und den DGB mit ins Boot. Mit Herrn von Weizsäcker machte mich die damalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Antje Vollmer bekannt.
Wie werden die Projekte ausgesucht, die Sie unterstützen?
Thomas Beckmann: In den städtischen Projektgruppen sind neben Caritas und Diakonie auch kleinere Vereine vertreten. So erfahren wir, wo Hilfe nötig ist. In Berlin haben wir zum Beispiel die Tagesstätte Am Wassertor unterstützt.
Sie helfen vielen Obdachlosen oder den Einrichtungen direkt. Wo ist der Unterstützungsbedarf am dringendsten?
Thomas Beckmann: Besonders vor der aktuellen Debatte muss man sehen, dass es unterschiedliche Formen von Armut gibt. Wenn Bulgaren nach Deutschland kommen wollen, dürfen sie das. Man sollte sie nicht kriminalisieren, denn sie sind meist in einer wirtschaftlichen Notlage. Uns begegnen aber auch Menschen, deren Armut sich mit Hoffnungslosigkeit koppelt. Sie sind häufig psychisch belastet. Für sie brauchen wir gute Einrichtungen mit ausreichend Personal.
Macht es Sie wütend, dass offensichtlich zu wenig gegen die Ursachen von Wohnungslosigkeit und Armut getan wird?
Thomas Beckmann: Ich bin eher fassungslos darüber, wie angeblich gebildete Menschen arrogant in Talkshows herumschwadronieren. Solche Menschen sind ein gutes Barometer für den sittlichen Verfall in unserer Gesellschaft. Dabei geht es auch um Themen wie Pflege oder Umgang mit älteren Menschen. Wir können in unserem reichen Land eine menschenwürdige Pflege nicht bezahlen? "Ehret die Alten" gilt in Deutschland nur noch bedingt.
Wie ließe sich das bürgerschaftliche Engagement weiter stärken?
Thomas Beckmann: Engagierte leisten häufig Unglaubliches. Die Verleihung eines Verdienstordens macht stolz, trotzdem sollte man andere Anreize stärken. Dazu gehören Vergünstigungen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und freier Eintritt für Museen, Kino und Veranstaltungen.
Sie spielen so schön Cello. Manch einer hält das für ein Wunder.
Thomas Beckmann: Ich wurde mit meiner Gabe reich beschenkt. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Cello zu spielen ist meine Form von Gebet. Wenn ich ein Stück von Johann Sebastian Bach spiele, bin ich bei Gott. Deshalb war mein Konzert vor Papst Benedikt XVI. etwas ganz Besonderes. Was wäre die Welt ohne ihre Religionen?
Zu Ihrem Cello gibt es eine interessante Geschichte. Und Sie haben eine besondere Beziehung zu Charlie Chaplin.
Thomas Beckmann: Mein Cello heißt "Il Mendicante", der Bettler. Nach meinem Unfall musste es repariert werden, dabei fand man die Inschrift. Es gehörte einem Pariser Bettler, der es trotz Armut nicht verkaufen wollte. Und Charlie Chaplin war ebenfalls Cellist, er schrieb seine Filmmusiken selbst. Ich habe sein Stück "Oh! That Cello" wiederentdeckt und spiele seine Werke. So schließt sich der Kreis.
Autor:Anett Baron aus Mitte |
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