Visagist René Koch mit dem Verdienstorden des Landes Berlin geehrt
Herr Koch, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat Ihnen am 1. Oktober den Verdienstorden des Landes Berlin verliehen. Was haben Sie in diesem Moment empfunden?
René Koch: Freude! Freude über die Anerkennung meiner Arbeit. Es gibt die Redensart, nach der der Prophet im eigenen Land nichts wert ist - er ist es doch. Dabei will ich nicht besonders sein. Ich habe mich immer für Menschen eingesetzt, die Hilfe brauchen und Unrecht erfahren. Das begann schon in der Nachkriegszeit mit den Sammlungen für das Müttergenesungswerk und dauert bis heute in vielfältiger Weise an. Klaus Wowereit hat recht: Engagement lohnt sich!
Sie waren 21 Jahre lang Visagist bzw. Chef-Visagist bei Charles of the Ritz und Yves Saint Laurent und haben weltberühmte Promis verschönert. Heute helfen Sie mit Ihren Schminkkünsten auf andere Art.
René Koch: In Deutschland gibt es etwa 145.000 Blinde und 500.000 schwer Sehbehinderte. Viele von ihnen möchten sich attraktiv schminken, es sind die gleichen Bedürfnisse wie bei Sehenden. Für sie gebe ich Schminkkurse. Die nötige Technik habe ich mir zunächst selbst beigebracht, in dem ich mich im Dunklen geschminkt habe. Tuschen Sie sich mal die Wimpern, ohne sich im Spiegel zu sehen! Wie ziehen Sie mit einem Lippenstift sauber die Konturen nach? Diese Erkenntnisse gebe ich den Frauen weiter.
Und dann gibt es dann noch den Arbeitskreis Camouflage...
René Koch: Hier behandle ich Menschen mit Brand- und Unfallnarben sowie angeborenen und erworbenen Hautanomalien. Der Begriff Camouflage kommt aus dem Militärischen und bedeutet soviel wie Tarnung. Viele Betroffene werden auf der Straße mit schrägen Blicken angeschaut und leiden entsprechend darunter. Die Kosmetik verhilft ihnen zu einem normalen Lebensgefühl. Wir verfolgen ein ganzheitliches Prinzip, unterstützen die Menschen auch in Rechtsfragen oder bei Problemen mit Kostenübernahmeanträgen. Es ist unglaublich, was den bereits belasteten Menschen für Steine in den Weg gelegt werden. Hier setze ich meinen Namen dann bewusst als Türöffner ein.
Wie sieht Ihr weiteres Engagement aus?
René Koch: Grundsätzlich engagiere ich mich, wenn mich etwas berührt. So unterstütze ich seit vielen Jahren die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben. Denn auch ich möchte so sterben wie ich gelebt habe - frei, selbstbestimmt und ohne Maschinen. Als Visagist habe ich einen beratenden Beruf und darf keine Vorurteile haben. Ich öffne in meiner Transsexuellen-Sprechstunde Menschen lächelnd die Tür und hoffentlich auch das Herz, die sich im anderen Geschlecht zu Hause fühlen. Sie können sich bei mir mit Kleidung, Schminke und Perücken ausprobieren. Ich helfe ihnen dabei ihr wahrhaftiges Leben zu finden. Meist leiden Transsexuelle sehr unter ihrer täglichen Lebenssituation.
Sie helfen unzähligen Menschen. Wer hat Sie bisher am meisten berührt?
René Koch: Hannah. Sie ist eine wunderbare Frau. Von Geburt an blind, hat sie sich nie unterkriegen lassen und unter anderem in Litauen studiert. Das muss man sich einmal vorstellen! Nun hat sie geheiratet. Wir hatten schon einige "Blind Date"-Beautyworkshops zusammen.
Was müsste geschehen, damit sich mehr Menschen engagieren?
René Koch: In Wirklichkeit engagieren sich schon sehr viele Menschen! Sie brauchen dringend mehr Anerkennung. Hier ist die Politik gefragt. Auch unsere Jugend ist nicht so schlecht, wie sie häufig dargestellt wird. Wir müssen unseren Nachwuchs mehr fördern und anerkennen. Auf der COSMETICA Berlin haben wir gerade den Newcomer Award 2013 verliehen. Was meinen Sie, was junge motivierte Menschen alles zustande bringen, auch im ehrenamtlichen Bereich!
Wie lässt sich Ihr Engagement unterstützen?
René Koch: Es gibt unendlich viele Bücher mit Schmink-Tipps. Ich würde sehr gerne eine Beauty-Hör-CD für Blinde und stark Sehbehinderte herausbringen. Die Unterstützung muss nicht finanzieller Natur sein. Wer könnte zum Beispiel sein Studio für eine professionelle Aufnahme zur Verfügung stellen? Welcher Grafiker kümmert sich um das Cover und Booklet in Blindenschrift? Für dieses Projekt freue ich mich über vielfältige Hilfe.
Autor:Anett Baron aus Mitte |
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