Kassenblöcke, Lose, Billets
1911 nahm die Paragon-Druckerei den Betrieb auf

Von der Druckerei wurde im Jahr 1912 sogar eine Ansichtskarte angefertigt. | Foto: Archiv Markert
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Vor 100 Jahren bekam selbst eine Druckerei ein schmuckes Äußeres vom Architekten verpasst. So zeigt 1912 eine Postkarte das Gebäude der Paragon Kassenblock-Fabrik mit geschwungener Fassade und burgartigem Wasserturm.

Zu sehen sind sie und viele weitere Dokumente in der aktuellen Ausstellung „Paragon 1911-2019“ des Industriesalons Schöneweide. Die Paragon Kassenblock Compagnie wurde 1898 als Tochter eines englischen Unternehmens in der Nähe des Ostbahnhofs gegründet. Nach einer Zwischenstation in Weißensee wurde der Firmensitz nach Oberschöneweide verlegt. Am 20. April 1911 genehmigte der Amtsvorsteher das Bauvorhaben an der heutigen Fuststraße. Ende des gleichen Jahres nahm das Unternehmen bereits den Betrieb auf. Die rund 400 Mitarbeiter fertigten Durchschreibeblöcke für Kassen, Fahrscheine, Eintrittskarten und Garderobenmarken.

Im Ersten Weltkrieg wurde das Werk unter Zwangsverwaltung gestellt, da es bis 1914 unter englischer Leitung stand. Die Firma überstand auch die Inflation und den Zweiten Weltkrieg. Bereits im Mai 1945 wurde im Auftrag der sowjetischen Alliierten wieder gearbeitet. Diese stellten das Druckpapier zur Verfügung. Es entstanden Lebensmittelkarten und Schreibblöcke. Im Herbst des gleichen Jahres übernahm das Bezirksamt Köpenick die Treuhandverwaltung und setzte den früheren Prokuristen Georg Engler als Betriebsleiter ein. Ein Jahr später arbeiteten bei Paragon bereits wieder 200 Menschen. 1948 wurde das Unternehmen enteignet, Engler entlassen und durch einen Nachfolger mit SED-Parteibuch ersetzt. Seit 1951 trug das Unternehmen den Namen VEB Kassenblock-, Formular- und Billetdruck. Es hatte 350 Mitarbeiter. Rund 20 Jahre später wurde daraus der VEB Vordruck-Leitverlag Berlin. Nach der Wiedervereinigung wurde daraus 1990 das Varioform Druck- und Verlagshaus, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Am 5. Oktober 1992 vernichtete ein Großbrand in der Produktionshalle rund 30 Tonnen Papier. 1996 war am Standort Oberschöneweide dann allerdings Schluss, die Druckerei zog an die Sonnenallee in Neukölln. Rund zehn Jahre lang stand das Druckhaus leer, dann wurde das Gebäude von 1911 abgerissen.

Versuche, auf dem Areal eine Filiale von Bauhaus zu errichten, scheiterten an Klagen von Anwohnern, der Bezirk musste, weil eine Bauvoranfrage positiv entschieden worden war, Schadenersatz leisten. Ab 2009 entstand zwischen Fust- und Edisonstraße ein Dienstleistungszentrum mit zwei Einkaufsmärkten. An der Fassade zur Fuststraße nahmen die Architekten die Gestaltung der ehemaligen Paragon-Druckerei auf.

Die Ausstellung „Paragon 1911-2019“ kann bis zum 26. Mai im Industriesalon Schöneweide, Reinbeckstraße 9, besichtigt werden. Geöffnet ist Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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