Mit der Kamera durch die Nacht
Jan K. Tyrel präsentiert ungewöhnliche Sichten in Schwarz-Weiß
Jan K. Tyrel, Jahrgang 1969, ist in Lichtenberg aufgewachsen. Seit 2012 hat der Fotograf sein Atelier in Oberschöneweide. Von hier aus bricht er zu nächtlichen Streifzügen durch Berlin auf.
„Wir treffen uns um Mitternacht, dann zeige ich Dir, wie ich arbeite und wie meine Motive für die aktuelle Ausstellung entstanden sind“, verspricht er am Telefon. Dass finde ich, selbst klassisch ausgebildeter Fotograf, spannend. Ein paar Stunden später sitze ich neben Jan K. Tyrel auf den Stufen des Alten Museums, vor uns der Lustgarten mit der Granitschale und einige Nachtschwärmer. Dann packt Jan seine Canon aus, verstaut die Kamera nebst Objektiv in einer schwarzen Tüte und stellt sie bodennah auf ein Ministativ. „Ich mache mich möglichst unsichtbar, habe so mehr Ruhe für die Arbeit und gehe Auseinandersetzungen mit Betrunkenen aus dem Weg. Weil mich auf Bahnhöfen oft der Sicherheitsdienst angemacht hat, stelle ich neben die Tüte mit der Kamera oft noch einen Kaffeebecher, und dann denken die, ich warte auf den nächsten Tag“, berichtet Jan K. Tyrel. Zu seinem Image gehört es auch, dass sich Jan selbst nicht gern fotografieren lässt. „Ich definiere mich lieber über meine Fotos“, erklärt er.
In den letzten Jahren hat er sich der nächtlichen Fotografie in Schwarz-Weiß verschrieben. Dabei setzt er auf bodennahe Standorte, ein Weitwinkelobjektiv und lange Belichtungszeiten. Bei Belichtungszeiten von zehn bis 30 Sekunden verwischen alle bewegten Objekte wie Menschen und Fahrzeuge, die hohe Blende sorgt für Tiefenschärfe vom Vordergrund bis zum Horizont. „Klassische Bilder geben mir einfach nichts mehr, seitdem dass jeder Grundschüler mit dem Smartphone kann“, sagt Jan K. Tyrel.
Dann gehen wir auf Fototour. Am Schinkelplatz gegenüber vom Schlossneubau stellt er seine Kamera auf den Boden. Ein stark strukturiertes Gitter am Spreekanal und die historischen Schinkelleuchten sind hier die Zutaten für das Foto. „Ich habe Glück, eine der Laternen ist defekt und leuchtet nur mit halber Kraft, so überstrahlt sie nicht im Foto“, erklärt er.
In einer Nacht macht er 30 bis 40 Aufnahmen, daraus entsteht oft nur ein brauchbares und ausstellungsreifes Foto. Neben dem Stadtzentrum ist er auch in seinem Kiez unterwegs. Hier gehören der Kaisersteg und die Treskowbrücke zu den bevorzugten Motiven. „Wenn ich Glück habe, sorgt leichter Nebel für ein besonders eindrucksvolles Motiv“, erklärt er. Was er damit meint, wird später am Monitor im Atelier an der Wilhelminenhofstraße deutlich. Vor ein paar Wochen hat der Fotograf die Südostallee im Fokus gehabt. Im leichten Nebel verschwindet die Kurve gleich hinter dem Krematorium, an der schon öfter ein Auto in die Bäume oder die Leitplanke gerast ist. Jan K. Tyrel fotografiert auch den Bahnhof Schöneweide und sein Umfeld. „Damit bewahre ich das Heute, denn der Bezirk wird sich wohl in den nächsten Jahren ziemlich verändern“, meint er.
Die Ausstellung „Famous last nights“ ist von 6. Juli – Eröffnung 19 Uhr – bis 18. August in der Galerie Schöne Weide, Wilhelminenhofstraße 48a, zu sehen. Geöffnet ist bei freiem Eintritt Donnerstag bis Sonnabend von 12 bis 18 Uhr.
Infos unter www.galerie-schoene-weide.de, www.jan-k-tyrel.de.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.