Mit Ideenreichtum gegen die Schließung
Dirk Sarnoch kämpft für das Fortbestehen seiner Buchhandlung „Werk 116“

Wüssten mehr Menschen über die Buchpreisbindung Bescheid, würden auch mehr bei lokalen Buchhandlungen bestellen als im Internet, meint Dirk Sarnoch, Inhaber der Buchhandlung „Werk 116“. | Foto:  Philipp Hartmann
3Bilder
  • Wüssten mehr Menschen über die Buchpreisbindung Bescheid, würden auch mehr bei lokalen Buchhandlungen bestellen als im Internet, meint Dirk Sarnoch, Inhaber der Buchhandlung „Werk 116“.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Die Corona-Krise sorgte dafür, dass viele Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht und gelesen haben. Für die Buchhandlungen war das ein gutes Geschäft, doch das ist schon länger wieder vorbei. Inzwischen kämpfen viele ums Überleben. Auch die Buchhandlung „Werk 116“ am Königsplatz in der Wilhelminenhofstraße 88 befindet sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation.

„In den vergangenen Monaten war es wirklich eng“, berichtet Inhaber Dirk Sarnoch. „Seit dem vergangenen Jahr merkt man, dass die Leute ihr Geld zusammenhalten. Ich habe mit mehreren Buchhändlern gesprochen. Die sagen alle, die Reserven sind langsam aufgebraucht.“ Sein eigenes Geschäft bildet da keine Ausnahme. „Meine Stammkunden kommen noch, geben aber weniger Geld aus. Wer früher zwei Bücher holte, nimmt jetzt nur noch eins.“ Zudem sind die Aussichten für 2024 ebenfalls nicht rosig. „Die Logistiker haben schon angedroht, dass sie preislich noch mal was draufpacken“, erzählt der 58-Jährige.

Der Letzte im Kiez

Dirk Sarnoch hat die 1998 eröffnete Buchhandlung, die sich anfangs vor allem durch Reiseführer und Wanderkarten einen Namen machte, im Dezember 2013 übernommen. Zuvor war er unter anderem Schlosser und später als Haushandwerker tätig. Er habe sich nach der Übernahme erst einmal einarbeiten müssen, erinnert er sich. „Nach fünf Jahren hatte ich zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt kann ich’s.“ In Oberschöneweide ist „Werk 116“ heute die einzige verbliebene Buchhandlung. Vor mehr als zehn Jahren habe es im Kiez noch eine gegeben. Die habe aber damals auch schon aus wirtschaftlichen Gründen schließen müssen, blickt er zurück. Am nächsten liege heute die Buchhandlung Kaim im Zentrum Schöneweide auf der anderen Spreeseite.

Die Buchhandlung „Werk 116“ in der Wilhelminenhofstraße 88 ist die einzige, die es heute in Oberschöneweide noch gibt. | Foto: Philipp Hartmann
  • Die Buchhandlung „Werk 116“ in der Wilhelminenhofstraße 88 ist die einzige, die es heute in Oberschöneweide noch gibt.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Der globale Erfolg des Onlinehändlers Amazon hat in den vergangenen Jahren zahlreiche kleine Buchhandlungen zum Aufgeben gezwungen. Sauer ist Dirk Sarnoch deswegen allerdings nicht. „Das hat alles seine Berechtigung“, sagt er. Amazon habe einfach ein geniales Konzept. Problematisch findet er viel mehr, dass es der Deutsche Buchhandel bis heute nicht geschafft habe, vernünftig zu kommunizieren und die Menschen über die Buchpreisbindung aufzuklären. Die schreibt den Verlagen gesetzlich vor, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzusetzen. Das bedeutet: Ganz egal, wo ein Buch gekauft wird, es kostet überall gleich. Das sei vielen bis heute nicht bekannt, so Sarnoch. Noch immer seien deshalb viele Bücherfreunde der Meinung, sie könnten mit Bestellungen im Internet Geld sparen. Außerdem könnten die Buchhandlungen Amazon auch in Sachen Geschwindigkeit schlagen. Wer bei ihm bis 17 Uhr ein Buch bestellt, könne dieses bereits am darauffolgenden Morgen in Empfang nehmen. „Amazon braucht da einen Tag länger“, betont Sarnoch.

Erfolgreiche Gutschein-Aktion

In den vergangenen zwei Monaten habe er sich selbst kein Geld mehr auszahlen können. Auch mit der Miete wurde es knapp. „Ich hätte einpacken können. Ich habe kein Polster.“ Die vorübergehende Rettung brachte eine Gutschein-Aktion, die Dirk Sarnoch Anfang November ins Leben rief. Wer einen 100-Euro-Gutschein bei ihm kaufte, bekam eine Elektropolis-Führung dazu. Bei diesen Führungen, die er manchmal für den Industriesalon Schöneweide macht, berichtet Dirk Sarnoch über die industrielle Vergangenheit des Ortsteils. „Es war ein Test, ob uns die Kunden noch wollen“, sagt der Händler, der von einer Angestellten und zwei Aushilfen unterstützt wird. „Wir waren wirklich überrascht von der Resonanz. In den ersten Tagen ging es hier zack, zack!“ Weit mehr als seine Zielmarke von 45 Gutscheinen verkaufte bis zum Ende der Aktion Ende November. „Das zeigt uns, es lohnt sich weiterzumachen.“

Dirk Sarnoch, Inhaber der Buchhandlung „Werk 116“ in der Wilhelminenhofstraße, ist wie viele andere Buchhändler in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Hoffnung macht ihm, dass er viele Gutscheine an seine Kunden verkaufen konnte. | Foto: Philipp Hartmann
  • Dirk Sarnoch, Inhaber der Buchhandlung „Werk 116“ in der Wilhelminenhofstraße, ist wie viele andere Buchhändler in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Hoffnung macht ihm, dass er viele Gutscheine an seine Kunden verkaufen konnte.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Von den Krediten der Kunden zu leben, darauf könne er sich aber nicht ausruhen. „Wir sind am Überlegen, was wir noch machen können. Wir brauchen weitere Ideen.“ Eine hat er schon. So will er als Event exklusiv für seine Stammkunden ab Mitte Januar Übernachtungen im Buchladen anbieten. „Wir stellen ein Bett hier rein. Es gibt eine Flasche Wasser, eine Flasche Wein und einen Gutschein für ein Frühstück beim Bäcker hier.“ Das habe er schon ausprobiert und ein positives Feedback bekommen.

Schulen als Kunden wären gut

Eine große Hilfe wäre es für die Zukunft, wenn die Schulen ihre Schulbücher bei den Kiezbuchhandlungen bestellen würden. Bei drei Grundschulen in Oberschöneweide wäre das ein Auftragsvolumen, das dem "Werk 116" nach Abzug aller Kosten Einnahmen von schätzungsweise einer Monatsmiete einbringen könnte. Bisher sei er mit seinen Kontaktaufnahmen aber erfolglos gewesen, bedauert Dirk Sarnoch. „In Neukölln gibt es ein paar Schulen, die beim Buchhändler um die Ecke kaufen. Das weiß ich. Bei uns kaufen die Grundschulen leider bis heute nicht ein.“

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 273× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 336× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 330× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 183× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 381× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 708× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.