Zwei Häuser erzählen NS-Geschichte
Hochschule für Wirtschaft und Recht arbeitet Vergangenheit auf

Haus A der Hochschule an der Badenschen Straße. | Foto: KEN
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  • Haus A der Hochschule an der Badenschen Straße.
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„Es ist höchste Zeit“, sagt Andreas Zaby und meint damit die Aufarbeitung der Geschichte der beiden Häuser an der Badenschen Straße, die die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin nutzt.

Zwar gebe es keine institutionelle Verbindung der Hochschule zur Vergangenheit der Gebäude, so der HWR-Präsident. Wohl aber die gesellschaftspolitische Verantwortung, der Frage nachzugehen, wer hier früher gearbeitet und welche Aufträge vergeben hat. Auf dem heutigen Campusgelände wurden sowohl das Haus A, Badensche Straße 52, als auch das Haus B, Badensche Straße 50-51, im Jahr 1939 errichtet.

Das Haus A entstand für die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft. Sie war beauftragt, den Markt für Hopfen und Gerste sowie Umfang und Qualität der Bierproduktion zu regeln. Die Unterorganisation des nationalsozialistischen Reichsnährstandes, der Zwangsorganisation der Landwirte im Dritten Reich, erhielt den Neubau mit großen Festsälen im Erdgeschoss als Ersatz für ihren Sitz in Mitte. Der musste den irrwitzigen „Germania“-Plänen Albert Speers weichen. Die Hauptvereinigung nutzte das Gebäude bis 1944.

Es folgte ein Kuriosum: Obwohl nach Kriegsende im amerikanischen Sektor gelegen, hatte der sowjetische Stadtkommandant das Haus beschlagnahmt und der Kommunistischen Partei Deutschlands als Parteigebäude überlassen. Es blieb bis 1948 im Besitz der KPD.

Es dauerte weitere 20 Jahre, bis West-Berlin das Gebäude erwerben konnte. In den 80er-Jahren wurde es vom Schöneberger Wohnungsamt genutzt, anschließend vom Sozialamt des Bezirks Tempelhof-Schöneberg. 2011 zog die Hochschule ein.

Haus B, auch dieses ein neues Ersatzgebäude, wurde von der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel belegt. Sie war die ehemalige, nach 1933 gleichgeschaltete Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels. 1940 zog noch die Abteilung Kriegsgefangenenwesen des Oberkommandos der Wehrmacht ein. Diese erarbeitete die Regeln für die Behandlung der Kriegsgefangenen in den Kriegsgefangenenlagern. Das Schicksal von bis zu acht Millionen Kriegsgefangenen unterschiedlichster Nationalitäten wurde hier bestimmt. Haus B wurde ausgebombt. Nach dem Wiederaufbau des Gebäudes 1951 zog die von Otto Suhr wiedergegründete Hochschule für Politik ein. Sie blieb bis zu ihrer Eingliederung in die Freie Universität Berlin im Jahr 1959 in Schöneberg. Das Haus blieb ein Standort für Forschung und Lehre. Bis 1965 war das Hochschulinstitut für Wirtschaftskunde und die Höhere Wirtschaftsfachschule hier ansässig. Ebenso nutzte das Berlin Kolleg seit Anfang der 60er Teile des Gebäudes.

Am 7. November wird im Foyer von Haus B eine Gedenktafel feierlich enthüllt. Sie erinnert an die Verbrechen an Millionen Kriegsgefangenen, die von diesem Ort ausgingen.

Wer mehr über die beiden Häuser und die dort untergebrachten Organisationen in der NS-Zeit erfahren möchte, kann deren Geschichte bei Dorothea Schmidt nachlesen; zu Haus A: „Die Kraft der deutschen Erde“ – Das Bier im Nationalsozialismus und die Hauptvereinigung der deutschen Brauwirtschaft in Berlin-Schöneberg, Nomos-Verlag, Baden-Baden, 2019, ISBN 978-3-8487-5920-0, 26 Euro; Haus B (nur noch antiquarisch): „Zeitgeschichte im Mikrokosmos – Ein Gebäude in Berlin-Schöneberg, Edition Sigma, Berlin, 2004, ISBN 978-3-8940-4793-1.

Haus A der Hochschule an der Badenschen Straße. | Foto: KEN
Haus B an der Badenschen Straße. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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