Der erste Hubschrauber
Über den Schöneberger Erfinder Johannes Hermann Ganswindt

In Schöneberg erinnert eine Brücke an den genialen Erfinder. | Foto: KEN
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Aus Schöneberg kommen Visionäre. Zum Beispiel der Konstrukteur und Erfinder Johann Hermann Ganswindt.

Seit 1976 erinnert die Hermann-Ganswindt-Brücke an den Erfinder des Hubschraubers. Sie führt den Vorarlberger Damm über die Stadtautobahn. Auch ein Krater auf dem Mond und eine Vertiefung in der Südpolregion des Erdtrabanten tragen seinen Namen. Das hat mit Ganswindts anderer Leidenschaft zu tun, der Raumfahrt.

Johannes Hermann Ganswindt stammte aus Ostpreußen. 1856 wurde er nahe Allenstein geboren. Sein Vater war Mühlenbesitzer und führte eine Versuchswerkstatt. Das Tüfteln war Ganswindt in die Wiege gelegt. Bereits als Schüler entwickelte er einen Freilauf für Fahrräder. Später sollte er das „Gesperre“ auch herstellen. Als 13-Jähriger entwarf er eine Rakete. Er nannte es „Weltenfahrzeug“. Den möglichen Antrieb durch Dynamitexplosionen nach dem Rückstoßprinzip probierte er im Selbstversuch aus.

Sein Jurastudium in Zürich, Leipzig und Berlin brach Johannes Hermann Ganswindt nach einigen Semestern ab, um ein Physikstudium aufzunehmen. Mit Vorträgen in der Philharmonie über seine Erfindungen, unter anderem ein lenkbares Luftschiff und den Hubschrauber, für den er ab 1884 Entwürfe gezeichnet und Ende der 1880er-Jahre ein funktionierendes Modell gebaut hatte, hielt er sich über Wasser. Der „Fliegende Maikäfer“ wurde als Spielzeug auf Jahrmärkten verauft. Doch bald waren Ganswindts Geldmittel erschöpft.

Aber er fand ein Lösung. Mit 35 Jahren erlernte er das Klavierspiel und ging auf Tournee. In den Konzertpausen stellte er seine Erfindungen vor. Mit den Einnahmen aus den Konzerten konnte Ganswindt ein Grundstück am Mariendorfer Weg pachten und dort seine „Motorfabrik“ einrichten. Er baute auch eine Radbahn. Auf ihr konnten Besucher gegen ein Eintrittsgeld von einer Reichsmark seine Erfindungen für das Fahrrad testen. Der Mariendorfer Weg existiert nicht mehr. Er ist im Sachsendamm aufgegangen.

Ein Tag im Juli 1901 wird zu einem Meilenstein in der Technikgeschichte. Johannes Hermann Ganswindt hat einen „echten“ Hubschrauber gebaut. Mit zwei Personen in einem Korb unter dem gekrümmten Rotor steigt das Luftgefährt in die Höhe – wenn auch nur für ein paar Sekunden. Die Sensation ist da: Erstmals in der Geschichte der Menschheit hat ein Motorflug stattgefunden. Max und Emil Skladanowsky, auch sie Pioniere, hielten das Ereignis im Film fest. Er wurde am 5. November 1901 im Wintergarten präsentiert. Der Film gilt heute als verschollen.

Ein Jahr später war der Vater des Helikopters ruiniert. Am 17. April 1902 hatte man Hermann Ganswindt verhaftet. Der Vorwurf: fortgesetzter Betrug. Seine Luftmaschine war mit einem Draht abgesichert. Dass sie aus eigener Kraft vom Boden abgehoben hatte, glaubte ihm das Königliche Landgericht II zunächst nicht. Ganswindt kam für acht Wochen in U-Haft nach Moabit. Seine Firma wurde geschlossen, die beweglichen Güter beschlagnahmt, über das Vermögen der Konkurs eröffnet.

Obwohl Johannes Hermann Ganswindt schließlich seine Unschuld beweisen konnte, erholte er sich von diesem Schlag nicht mehr. Erst gegen Ende seines Lebens erhielt er ein wenig Anerkennung für seine Pionierleistungen. So holte ihn Fritz Lang als Berater für dessen 1928/29 gedrehten Stummfilm „Frau im Mond“ an den Set. Ganswindt starb in Armut 1934 in Berlin und wurde auf dem Schöneberger Friedhof an der Eisackstraße beigesetzt. Sein Grab existiert nicht mehr.

Ein Sohn Ganswindts wirkte unter Wernher von Braun am amerikanischen Mondflugprogramm mit. Ganswindts zweite Ehefrau konnte den Start der ersten Mondrakete vom Kennedy-Raumfahrtzentrum in Florida live miterleben. Ganswindts Tochter war die Physikerin Isolde Hausser.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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