Die Nazi-Zeit sowie die Anfangsjahre vor 1933 bedürfen noch der Aufarbeitung
Die Spandauer Zeitungsgeschichte hat weiße Flecken

Eine Werbung für das ehemalige SPD VOLKSBLATT, martialisch ganz im Stil der damaligen Zeit gehalten. Wer weiß noch mehr über die frühe Geschichte dieses Blattes? | Foto: Verlagsservice Lezinsky
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  • Eine Werbung für das ehemalige SPD VOLKSBLATT, martialisch ganz im Stil der damaligen Zeit gehalten. Wer weiß noch mehr über die frühe Geschichte dieses Blattes?
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Sie halten die Jubiläumsausgabe des Spandauer Volksblatts in den Händen. In dieser Ausgabe, wie auch in den Jubiläumsausgaben der zurückliegenden Jahrzehnte wird und wurde die neuere Spandauer Pressegeschichte umfangreich aufgearbeitet. Aber in der Geschichte bis 1945 gibt es erhebliche Wissenslücken. Vielleicht können Sie helfen?

Im Zeitungsarchiv in der Zitadelle Spandau finden sich viele Exemplare der Vorgänger des Spandauer Volksblatts. Einige davon leben auch über dem Volksblatt-Schriftzug der wöchentlichen Ausgabe weiter: Spandauer Zeitung, Volksblatt, Havelländische Zeitung. Was aber steckt dahinter?

Intelligenzblätter waren die Anzeigenblätter des 18. Jahrhunderts

So viel ist bekannt: Seit dem 18. Jahrhundert gab es auch im deutschsprachigen Raum sogenannte Intelligenzblätter mit Bekanntmachungen wie unter anderem Gerichtsterminen, Ausschreibungen, Konkursen, Zwangsversteigerungen und Listen der in den Hotels abgestiegenen Fremden sowie geschäftlichen und privaten Anzeigen sowie Vermietungs-, Verkaufs- und Familienanzeigen. Das Intelligenzblatt war die erste Form eines Anzeigenblattes und somit älter als die Kaufzeitung. Noch heute existiert im Landkreis Erding in Bayern das „Dorfener Intelligenzblatt“. Als Name eine echte Rarität.

Ab 1850 erschienen die ersten Tageszeitungen

1848 wurde in der bürgerlichen Revolution (zeitweilig) die Pressezensur abgeschafft. Ab 1850 wurde der sogenannte Intelligenzzwang aufgehoben und es konnten die ersten privaten Tageszeitungen erscheinen, die fast überall die kostenlosen Wochenblätter verdrängten. Auch in und um Spandau gab es im Laufe der Jahrzehnte mehrere Titel und Verlage. Dabei orientierte man sich aus Spandau eher Richtung Osthavelland und umgekehrt. Das änderte sich nach der Eingemeindung nach Groß Berlin 1920 schrittweise.

Um 1894 entstand die bürgerliche „Spandauer Zeitung“ der Druckerei Stückrath. Über genaue Termine und die Vorgeschichte ist nichts bekannt. So auch im linken Presselager: Wann die SPD, wie auch in vielen anderen Städten, einen Spandauer Ableger des „Volksblatts“ gründete (in Coburg beispielsweise das „Coburger Volksblatt“ nach der Revolution von 1918/19) konnte der Autor nicht in Erfahrung bringen. Die „Spandauer Zeitung“ jedenfalls residierte am Wröhmannerpark, besser bekannt als „Hafenplatz“, in dem Gebäude das später jahrzehntelang Standort des 1946 gegründeten Spandauer Volksblatts wurde. Das SPD-Volksblatt wiederum hatte sein Zuhause im ehemaligen Gebäude der Stadtbibliothek an der Seegefelder Straße.

Volksblatt-Verbot und Verhaftung Erich Lezinskys im Jahr 1933

1933 wurde das Volksblatt verboten und auch der politische Redakteur und SPD-Stadtverordnete Erich Lezinsky verhaftet. Nach seiner Freilassung erhielt er ein Berufsverbot und arbeitete später im Luftfahrtgerätewerk in Hakenfelde. Der bürgerliche Zeitungsverleger Stückrath, dessen „Spandauer Zeitung“ während der Nazizeit politisch gleichgeschaltet war, durfte seine Arbeit nicht fortsetzen. Stückrath wurde in Berichten von Zeitzeugen jedoch immer als honoriger Mann beschrieben, der zu seiner jüdischen Frau gehalten und diese in die Schweiz in Sicherheit gebracht habe. Er hat in dieser Zeit in Konstanz eine am Bodensee einen grafischen Betrieb gekauft, um so seine Frau in der angrenzenden Schweiz besuchen zu können.

Streit zwischen Verleger und SPD

Nach dem Krieg und der Erteilung einer Lizenz an Erich Lezinsky durch die britische Militärregierung für die Herausgabe einer Tageszeitung in Spandau einigte sich der „Lizenzverleger“ mit dem ehemaligen Verleger und Druckereibesitzer Stückrath auf eine Aufteilung von Betriebsstätte und technischem Gerät. Auch der Betrieb in Konstanz kam zunächst zum Erich Lezinsky Verlag und wurde wohl später verkauft. Zwischen Lezinsky und der SPD kam es später zu einem nicht unerheblichen Zerwürfnis, weil die SPD die Position vertrat, dass sie einen Anspruch auf den Titel habe. Das wurde erst Jahrzehnte später rechtlich bereinigt.

Aus zwei Zeitungstiteln wurde einer

Damit begann die Geschichte des Spandauer Volksblatts. Erich Lezinsky hatte die beiden Zeitungsnamen zusammengeführt, um auch nach Außen einen publizistischen Neubeginn der einstmals so unterschiedlichen Traditionen zu verdeutlichen. Aber es bleiben eben viele Fragen offen: • Was wurde aus der Familie Stückrath? Sie soll nach Südwestdeutschland gegangen sein. Mehr ist nicht bekannt. Es müsste ältere Spandauer geben, die etwas wissen.• Wer weiß mehr über die beiden Zeitungstitel „Spandauer Zeitung“ und über das Spandauer SPD „Volksblatt“ und die dazugehörigen Druckereien? • Gibt es in alten Familienarchiven oder im kollektiven Bewusstsein noch weitere Informationen oder Belege aus der Zeitungstradition vor 1946 und bezogen auf das Volksblatt vor 1933.

Wer weiterhelfen kann, wendet sich bitte direkt an den Verlagsservice Lezinsky: per E-Mail an vsl-berlin@t-online.de und unter Telefon 0171/473 53 92. Mehr Informationen zur Geschichte des Verlages mit vielen Fotos findet man auch auf www.verlagsservice-lezinsky.de

Eine Werbung für das ehemalige SPD VOLKSBLATT, martialisch ganz im Stil der damaligen Zeit gehalten. Wer weiß noch mehr über die frühe Geschichte dieses Blattes? | Foto: Verlagsservice Lezinsky
Am 5. März 1946 erschien das Spandauer Volksblatt zum ersten Mal und mit dieser Titelseite. | Foto: Verlagsservice Lezinsky
Autor:

Olaf Lezinsky aus Spandau

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