Der Insulaner verliert die Ruhe nicht!
Stadtspaziergang in eine Gegend mit etlichen Kuppeln

Das Planetarium am Insulaner. | Foto: Meyer
  • Das Planetarium am Insulaner.
  • Foto: Meyer
  • hochgeladen von Silvia Möller

Vor 100 Jahren kamen auf einen Schlag 80 000 Steglitzer nach Berlin, ganz ohne Reisegepäck. Das war auch nicht nötig, denn die mächtig wachsende südwestliche Vorortgemeinde, damals größtes Dorf Preußens, war samt umliegender Orte über Nacht zu Groß-Berlin eingemeindet worden. Als 12. von 14 neuen äußeren Stadtbezirken.

Es lohnt sich, zu diesem 100-Jahre-Jubiläum einen Frühlingsausflug nach Steglitz einzuplanen, diesmal ganz individuell.

Zu den Mitbringseln des neuen Stadtbezirks gehörte vor 100 Jahren das damals fast neue Bismarckviertel. Straßen wie Plätze sind hier nach Lebensorten des Eisernen Kanzlers und auch nach einigen seiner Vertrauten benannt, solide mit viergeschossigen Wohnhäusern samt grüner Block-Innenhöfe bebaut. Der Friedrichsruher Platz am Südrand heißt nach Bismarcks Alterssitz, dem Jagdschloß im Sachsenwald, Kreis Herzogtum Lauenburg. Auf dem Platz steht die 1919 geweihte Lukaskirche, ein Kriegsbau. Mit Außenmauern aus behauenen dunklen Granitfindlingen und einem mächtigen kreisrunden Turm wirkt sie samt ihrer schweren Portale mit Kreuzeszeichen auch heute noch wie ein trutziger Gemeinde-Zufluchtsort in unsicheren Zeiten.

Wussten Sie, dass sich die Ortslage hier auf einer Folge eiszeitlicher Sandhügel erstreckt? Die „Rauhen Berge“, die sich, einst unbebaut, bis 20 Meter über die Teltowkanal-Tallage erheben, sind etwa 55 Meter hoch! Nebenan zieht sich die Bergstraße rund zwei Kilometer nach Osten. Hier fuhr einer der weltweit ersten Oberleitungsbusse, der „Gleislobus“ entlang – im Regelbetrieb – bis zur Kupferkabel-Demontage Anfang des Ersten Weltkriegs. Die Gemeinde Steglitz hatte sich ab 1911 die Fahrzeuge in der Marienfelder Daimler-Fabrik bauen lassen, wo sie mit kräftigen elektrischen Porsche-Radnabenmotoren ausgestattet wurden.

Gleich hinter der Bezirksgrenze ragt auf Schönebergs Südgelände der 78-Meter-Trümmerberg empor. Ihn gibt es seit Blockade-Zeiten, als beim Sender Rias das Funk-Kabarett “Die Insulaner“ frühe Erfolge feierte. Dessen vielgesungenes Insulaner-Lied wurde legendär.

Die Wilhelm-Forster-Sternwarte krönt den Hügel seit den Sechzigern, als die Gegend noch abseits von Großstadtlichtern lag. Sie ist seitdem auch höchstgelegene aktive Sternwarte Berlins. Am Fuß des Insulaners entstand wenig später das nunmehr älteste Planetarium der Stadt mit seiner klassisch-optischen Projektion.

Weitaus mehr als anderswo bestimmen hier in Schönebergs Südwestecke wie auch nebenan im Steglitzer Osten Dachkuppeln die aufgelockerte Stadtlandschaft. Allein der Insulaner zählt fünf größere und kleinere glänzende Aluminium-Kuppeln, dazu eine gläserne. Nördlich davon leuchtet vom grünen Alt-Gelände des Rangierbahnhofs Tempelhof rostrot der 50 Meter hohe, in strenger Stahl-Ästhetik erbaute Eisenbahn-Wasserturm mit seinem riesigen Kugelkessel herüber, von dem einst blitzschnell die Dampflocks befüllt werden konnten. Er wurde während der Expo 2000 zum Wahrzeichen der Renaturierung ehemaliger Industrie-Verkehrsflächen in Berlin. Die von außen so schroff wirkende Lukaskirche besitzt im Basisgeschoß des runden 57-Meter-Kirchturms eine prächtige Rundhalle. Deren gewaltige Innenkuppel zeigt kostbare feine Mosaiken im späten Art Deco Stil. Es sind sehr weiblich wirkende überirdisch schöne stehende Engelsgestalten vor goldenem Himmelsgewölbe. Ein Heldengedenken für die Steglitzer, die in den fürchterlichen Maschinenschlachten und Gasangriffen des Ersten Weltkriegs umgekommenen sind.

Südlich, mit Adresse Bergstraße 38, ist auf den Rauhen Bergen der Wasserturm Steglitz als Solitär errichtet worden, oberhalb des damaligen kleineren Gemeindefriedhofs. Als massiver Bau im Stil des Ziegel-Expressionismus, 42 Meter hoch und mit einen kuppelartigen Dach, wurde er zum Wahrzeichen des Stadtteils, ebenfalls 1919 fertiggestellt. Seit 20 Jahren residiert hier ein medizinischer Fachverlag. Da Steglitz sein Wasser bald von Berlin bezog, diente der Turm nie dem ursprünglichen Zweck, war immer wieder umgebaut worden.

Planetarium am Insulaner, Munsterdamm 1 (S 26 bis Bhf. Südende, Fußweg 560 m); Lukaskirche Friedrisruher Platz 1 (S 26 bis Bhf. Priesterweg, Bus 170 bis Bismarckstr./Bergstraße, Fußweg 250 m).

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 106× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 226× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 211× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 67× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 274× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 628× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.