Aus bad Bikes werden good Bikes
Zahl der Schrotträder nimmt zu
Schrotträder sind ein Ärgernis. Sie stehen auf Bürgersteigen herum, blockieren Fahrradbügel und sehen obendrein noch hässlich aus. Der Bezirk Mitte meldete im Vorjahr fast 900 solcher Fahrradleichen. Ein Projekt möbelt sie wieder auf.
Am Bahnhof Wedding muss man nicht lange suchen. Allein auf der Mittelinsel an der Müllerstraße stehen acht Schrotträder. Die Ordnungshüter haben sie bereits mit einem gelben Punkt markiert. Heute, drei Wochen später, ist die Abholfrist abgelaufen und Florian Buchholz wirft seinen Winkelschleifer an. Zehn Sekunden später ist das erste Rad von der Kette geflext. Buchholz und Cornelia Görke werden es später zusammen mit den anderen sieben Rädern in ihren Transporter laden und in die Sickingenstraße fahren. Dort hat die Goldnetz gGmbH ihren Hauptsitz nebst eigener Werkstatt. „Wir arbeiten die Schrotträder auf oder bauen aus mehreren ein neues zusammen“, sagt Andrea Krebs, die die Sozialwerkstätten von Goldnetz in Mitte und Spandau leitet. „Good Bikes“ heißt das Projekt, das aus alten Rädern neue macht. Goldnetz organisiert es seit vier Jahren zusammen mit dem Bezirksamt Mitte. Allein im vergangenen Jahr konnten 100 verkehrstüchtige Fahrräder an Vereine und gemeinnützige Organisationen wie die Arche, Berliner Tafel oder Fixpunkt übergeben werden.
Viele Fahrradleichen an Bahnhöfen
Die meisten Schrotträder werden dem Ordnungsamt gemeldet. Oder die Ordnungshüter von der Sondergruppe „Wracks und Müll“ entdecken sie bei ihren täglichen Kontrollen. Gefunden werden Schrotträder häufig an Bahnhöfen wie dem U- und S-Bahnhof Wedding oder auf dem Europaplatz am Hauptbahnhof. 2021 waren es 896 und damit fast doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Aber nicht alle landen bei Goldnetz. So sammelten die Mitarbeiter von den 896 Rädern am Ende nur 550 ein. Die anderen, mit dem gelben Punkt markierten Fahrradleichen hatten die Besitzer offenbar doch noch abgeholt.
Wann wird aus einem Fahrrad Schrott?
Doch ab wann gilt ein Fahrrad eigentlich als Schrott? „Das ist immer eine Einzelfallentscheidung“, klärt Benjamin Sasse, Fachbereichsleiter „Parkraumkontrolle“ beim Ordnungsamt, auf. „Schrott ist alles, was mit Reifenaufpumpen oder Ähnlichem nicht sofort in Gang gesetzt werden kann oder stark verrostet ist.“ Fehlt der Sattel oder das Hinterrad, gehen die Ordnungshüter davon aus, dass der Besitzer sein Rad vor Dieben schützen will. Auch Goldnetz sichert sich ab. Bevor die eingesammelten Schrotträder aufgearbeitet werden, wird bei der Polizei nachgefragt, ob sie als gestohlen gemeldet sind. Falls nicht, können die vier ehemaligen Langzeitarbeitslosen in den zwei Werkstätten loslegen. Fahrradteile, die sie nicht reparieren können, lässt Goldnetz fachgerecht entsorgen. So kamen im Vorjahr neun Tonnen sortierter Schrott fürs Recycling zusammen.
Und die Tendenz steigt. „Wir haben in Mitte immer mehr Schrotträder“, stellt Ordnungsstadträtin Almut Neumann (Grüne) fest. Deshalb sei die Arbeit der Kolleginnen im Ordnungsamt sehr wichtig. „Es kann nicht sein, dass der öffentliche Raum zugemüllt wird.“ Laut Andrea Krebs läuft das Pilotprojekt „Good Bikes“ bisher nur in Mitte. Goldnetz sucht darum nach Kooperationen mit anderen Bezirken. Damit aufgemöbelte Schrotträder auch anderswo einen neuen Besitzer finden.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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