Ziehung der Casinozahlen
Bezirksamt hat live Konzessionen für Spielhallen verlost
Kein Aprilscherz: Am 1. April fand im BVV-Saal im Rathaus Mitte in der Karl-Marx-Allee 31 eine öffentliche Ziehung der Arbeitsplätze im Spielautomatengewerbe statt. Das Rathauslotto wurde live im Internet übertragen.
Vier Mitarbeiter des Bezirksamts sitzen im BVV-Saal vor der Webcam. Ein Kollege legt graue Umschläge in die hölzerne BVV-Wahlurne, in die bisher die Bezirksverordneten ihre Stimmzettel geworfen haben. Die Holzkiste wird nicht mehr benötigt, weil in der BVV seit Januar elektronisch mit einem TED-System abgestimmt wird. Nachdem eine weitere Bezirksamtsmitarbeiterin die Umschläge nochmal mit der Hand mischt, wandert die Holzbox zu Lottofee. Ernst blickend zieht die „jahrelang erfahrene Führungskraft des Ordnungsamtes Mitte“, wie die Pressestelle auf Nachfrage nur mitteilt, den Umschlag, holt den Zettel heraus und zeigt den Gewinner in die Kamera: „Variante 3“. Das heißt, das Spielcasino in der Müllerstraße 85 darf bleiben. Der Betreiber bekommt die begehrte Konzession. Die anderen vier, direkt daneben und gegenüber in der Müllerstraße 84, 84A, 86B und 93, müssen dichtmachen.
Mindestabstand von 500 Metern verlangt
Hintergrund für diese Lotterie ist das vor neun Jahren erlassene verschärfte Spielhallengesetz in Berlin. Demnach gilt für Spielcasinos ein Mindestabstand von 500 Metern untereinander. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass sich wie in dem „Cluster 33“ an der Müllerstraße Daddelbude an Daddelbude reiht. Nach dem sogenannten Mindestabstandsumsetzungsgesetz (MindAbstUmsG) darf das Amt per Losverfahren entscheiden, welche Spielhölle dichtmachen muss, wenn es im Radius von 500 Metern mehrere Bestandsbetriebe gibt. Insgesamt wurden beim ersten Rathauslotto in Mitte „elf erlaubnisfähige Standorte“ ausgelost. Betroffen waren 43 Spielhallen.
Es gab auch Cluster, in denen zwei Spielhallen bleiben durften. Das „Cluster 29“ zum Beispiel hatte die Standortkapazität „2“. Dort hat das Los unter vier Casinos an der Stromstraße und zwei an der Wilhelmshavener Straße entschieden.
Automatenwirtschaft
kritisiert Verfahren
Im Bezirk Mitte gab es im März noch insgesamt 69 Spielhöllen mit über 500 Daddelkisten. Das ist etwa die Hälfte wie vor fünf Jahren. Die Automatenwirtschaft – Hersteller und Casinobetreiber – kritisiert seit Jahren das Spielhallengesetz und fordert „ein Umdenken in der Regulierung“, wie der Dachverband „Die Deutsche Automatenwirtschaft“ mit Sitz in der Dircksenstraße 49 in Mitte, sagt. Statt nach Abstand und Größe der Spielhalle sollte auf die Qualität des Angebots geachtet werden, so der Verband. Dazu gehören Kriterien wie Zertifizierung oder biometrische Zutrittskontrollsysteme. „Nach der Abstandslogik und per Losentscheid können die schlimmsten Anbieter auf dem Mark bleiben. Abstand sagt nichts über Qualität aus“, heißt es. „Verbraucher landen in der Illegalität und Servicemitarbeiter in der Arbeitslosigkeit“, sagt Georg Stecker, Sprecher des Vorstandes von „Die Deutsche Automatenwirtschaft“ zum Rathaus-Lotto. „Legale Spielhallen werden geschlossen und die Verbraucher in illegale Angebote wie die scheingastronomischen Café-Casinos, in Hinterzimmer oder illegale Online-Angebote aus dem Ausland getrieben, bei denen es keinen Spieler- und Jugendschutz gibt“, so Stecker.
In Niedersachen wurden 2017 auch Konzessionen per Losentscheid vergeben. Nach Proteste mussten die Auswahlentscheidungen korrigiert werden.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat erst am 13. März entschieden, dass das Losverfahren bei konkurrierenden Spielhallen „nicht zu beanstanden ist“ (VG 4 L 22/20). Eine Casino-Betreiberin aus Charlottenburg hatte geklagt, weil sie das Losverfahren für rechtswidrig hält. Das gesetzlich vorgesehene Losverfahren sei mit höherrangigem Recht vereinbar und sei in dem Fall fehlerfrei durchgeführt worden, so die Richter. Gegen die Entscheidung wurde bereits Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Zur gleichförmigen Handhabung durch die Bezirke hatte die Senatswirtschaftsverwaltung im Oktober 2019 Anwendungshinweise erlassen. Laut Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts gehören folgende Grundsätze dazu: Einheitlichkeit, Eindeutigkeit und Nicht-Einsehbarkeit der Lose, Unparteilichkeit der losenden Personen, Vier-Augen-Prinzip und Transparenz durch Protokollierung des Losverfahrens. Das Rathaus-Lotto im Bezirksamt Mitte war öffentlich und wurde wegen der Corona-Krise im Livestream übertragen. Die Verlosung wurde auch aufgezeichnet. Dazu wäre der Bezirk laut Gesetz nicht verpflichtet.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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