Neubau auf dem Karl-Bonhoeffer-Areal
Auf dem Gelände der ehemaligen Nervenklinik sollen 600 Wohnungen entstehen
Die Einladung kam relativ kurzfristig, aber er hatte sich trotzdem schnell herumgesprochen. Rund 50 Interessierte, vor allem aus der Nachbarschaft, waren am 11. November der Einladung zum „Gebietsspaziergang“ auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik gefolgt.
Der Grund für das Treffen war ein Neubauprojekt der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Sie will im westlich gelegenen Teil des 45 Hektar großen Areals 600 Wohnungen errichten, die Hälfte davon staatlich gefördert. Aufgrund der Größe des Bauvorhabens wird auch eine Kita gebaut. Außerdem entsteht unter der Ägide des Klinikkonzerns Vivantes, dem bisher ein Großteil des Geländes gehört, ein Seniorenwohnhaus mit 150 Plätzen. Dessen Bau könnte schon 2023 beginnen.
Beim Wohnungsbau wird es dagegen noch etwas dauern. Am 2. Dezember startet die Beteiligung der Öffentlichkeit. Ab diesem Tag sollen die ersten Entwürfe von vier Architekturbüros über die Online-Plattform „mein berlin“ präsentiert und im Anschluss bewertet und kommentiert werden. Der Vor-Ort-Termin war deshalb auch als eine Art Einstimmung auf das Beteiligungsverfahren gedacht.
Eine Sorge der Anwohner war, dass sie am Waldstück parallel zum Olbendorfer Weg künftig auf Hochhäuser blicken müssen. Das sei nicht geplant, versicherte Christoph Schuster, Bereichsleiter Portfoliomanagement bei der Gesobau. Die Gebäude hätten maximal drei bis vier Vollgeschosse, ergänzte Heike Sellentin, stellvertretende Leiterin des Stadtplanungsamtes Reinickendorf. Baumfällungen würde es geben, aber nicht in Form eines Kahlschlags. Der Bestand sei untersucht und kartiert worden. Unter anderem in zwei Fällen seien Bäume unter Schutz gestellt worden, bei denen der „Heldbock“ gefunden wurde, eine Käferart, die vom Aussterben bedroht ist.
Ein Großteil der Neubauten sei aber ohnehin auf bereits jetzt bebauten Flächen vorgesehen, wo bisher die sogenannten „Sternhäuser“ stehen. Damit sind die vor 40 Jahren entstandenen Bettenhäuser gemeint, die abgerissen werden. Auch das derzeit als Tempohome für Flüchtlinge genutzte Gebäude soll verschwinden.
Erschlossen werden soll das Neubaugebiet über die Oranienburger Straße. Das Quartier wird aber weitgehend autofrei geplant. Für Fahrzeuge sind Quartiersgaragen vorgesehen. Noch nicht entschieden ist, ob es eine Öffnung in Richtung des S-Bahnhofs Eichborndamm geben wird. Der existierende Zugang im Westen am Olbendorfer Weg wird zur Zufahrt für das Seniorenwohnheim, das unweit davon entsteht. Auch dafür müssen übrigens Sternhäuser weichen. Abgebaut werden soll dort auch der Zaun.
Der Alte Anstaltsfriedhof ist allerdings von den Plänen nicht berührt. Er sei inzwischen ein Gedenkort und solle in Zukunft als Erinnerungsstätte eine noch größere Bedeutung bekommen. Nicht angetastet werden auch alle denkmalgeschützten Gebäude auf dem Areal, die teilweise bis in die Anfänge der ersten Nervenklinik Berlins im Jahr 1880 zurückreichen. Das Gelände bietet teilweise das Bild eines Naturparadieses. Zugleich aber ist es ein historisch-kontaminierter Ort. Das gilt vor allem für die Zeit des Nationalsozialismus, als Menschen hier im Zuge des sogenannten Euthanasieprogramms ermordet wurden.
Viele Teilnehmer des Gebietsspaziergangs kannten diese Geschichte. Einige erzählten, dass sie hier oft und gerne auf den Wegen unterwegs sind. Und die Anwohner interessierte, was sich ändert, wenn hier 600 Wohnungen gebaut werden, in denen dann ungefähr 1200 neue Nachbarn leben. „Ich will wissen, ob mir jemand auf meinen Küchentisch guckt oder in mein Schlafzimmer“, brachte es eine Frau auf den Punkt.
Die Entwürfe für das Neubauvorhaben können ab 2. Dezember auf bwurl.de/18pf eingesehen werden.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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