Anwohner begrüßen Flüchtlinge mit offenen Armen

Neu am Klausenerplatz: Hafid aus Marokko sorgt sich um seine Zukunft und kann beim Fußfassen in Berlin auf die Hilfe der Nachbarn hoffen. | Foto: Schubert
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Charlottenburg. Die Serie "Unser Kiez" geht weiter. Lesen Sie hier den 2. Teil. Als sich Anfang des Jahres ein Flüchtlingsheim der AWO am Kaiserdamm niederließ, hörte man im Klausenerplatz-Kiez statt Protesten ein freundliches Hallo. Rasch bot eine Gruppe engagierter Anwohner Hilfe an, knüpfte ein Band der Freundschaft zu den Bewohnern. Doch nun beginnt ihre Arbeit wieder bei Null.

Es war einer der kältesten Abende des Jahres, da ging in der Nehring-Grundschule die Liste herum. In der überfüllten Aula hatte die Anwohnerschaft gerade eine Nachricht vernommen, die aufhorchen ließ. Neue Nachbarn seien angekommen. 100 Flüchtlinge, zumeist junge Familien, hätten Quartier bezogen in einem ehemaligen Jugendhotel. Also war rasches Handeln geboten. Ein Zeichen wollte man setzen, Kontaktdaten austauschen für gemeinsame Projekte. Den Gästen eine Willkommenskultur beweisen. Eva Gemüsay und etliche andere Zuhörer trieb nur eine wichtige Frage um: Was können wir für sie tun?

Wie sich herausstellte, eine Menge. Man sammelte rund 600 Euro Spenden, veranstaltete Nachbarschaftsfeste, spendete Bücher. "Manchmal halfen uns Dolmetscher, die Arabisch sprechen, manchmal unterhielten wir uns auf Englisch, oft mit Händen und Füßen", erzählt Helferin Nicole Kahmann. Gemeinsam besuchte man die Gärten der Welt in Marzahn, eine der erfreulichsten Erinnerungen, die ihr im Gedächtnis bleiben wird. "Da halfen die Großen den Kleinen und passten auf, dass dort im Labyrinth niemand verloren geht."

An einem heißen Sommerabend sitzen Eva Gemüsay, Nicole Kahmann und Ursula Rohland wieder an der Rezeption des ehemaligen Hotels. Sie fangen wieder von vorne an. Denn im Heim der AWO wohnen seit einigen Tagen andere. Junge Männer aus Afrika haben die Familien ersetzt - was damit zusammenhängt, dass es sich um ein Erstaufnahmeheim handelt, das immer wieder neue Bewohner begrüßt, während die alten umziehen.

Gemüsays Gruppe macht kein Hehl daraus, dass der plötzlich Bruch das Engagement nicht eben erleichtern. Nun also wohnen hier Männer wie Hafid aus Marokko, ein aufgeweckter Schlacks von 37 Jahren, der sich auf Zetteln notiert, was ihn voranbringen könnte. Hafid sagt seinen Gästen "guten Tag" in akkuratem Deutsch. Den Rest der Unterhaltung führt Gemüsay in französischer Sprache, lässt sich erklären, welche Art von Hilfe Hafid und seinen Gefährten willkommen wäre.

"Ich möchte beweisen, dass ich etwas kann", sagt Hafid. "Nicht nur immer hier sitzen und warten." Sein Denken kreist wie bei den meisten Bewohnern um das Asylverfahren und eine mögliche Zukunft danach.

Gaushar Besmil, die stellvertretende Leiterin des Heims, wäre deshalb froh, wenn die Nachbarn für Ausgleich sorgen. Sie wünscht sich "Angebote ohne große Verpflichtungen". Eine Runde Fußball, ein Kinobesuch. Und ein offenes Ohr. "Das sind junge Männer, die geschockt sind", erinnert Besmil an die schwierigen Voraussetzungen. Deshalb beginnt die neue Hilfskampagne der engagierten Nachbarn mit einem ganz unverfänglichen Angebot: Eine wöchentliche Teestube soll es geben, donnerstags um 18 Uhr. Die großen Probleme Hafids können Gemüsay und ihre Mitstreiter nicht beheben. Aber so lange er bei ihnen weilt, lindern die Nachbarn vom Klausenerplatz die kleineren Sorgen. So viel dürfte feststehen: Der Kiez wartet mit offenen Armen - egal, wer da kommt und wie lange er bleibt.

Wer im Heim ein Praktikum absolvieren, den Flüchtlingen ärztlichen Beistand anbieten oder sich auf andere Weise engagieren möchte, erreicht die stellvertretende Heimleiterin per E-Mail unter besmil@awo-mitte.de.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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