Anwohner begrüßen Flüchtlinge mit offenen Armen

Neu am Klausenerplatz: Hafid aus Marokko sorgt sich um seine Zukunft und kann beim Fußfassen in Berlin auf die Hilfe der Nachbarn hoffen. | Foto: Schubert
  • Neu am Klausenerplatz: Hafid aus Marokko sorgt sich um seine Zukunft und kann beim Fußfassen in Berlin auf die Hilfe der Nachbarn hoffen.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Die Serie "Unser Kiez" geht weiter. Lesen Sie hier den 2. Teil. Als sich Anfang des Jahres ein Flüchtlingsheim der AWO am Kaiserdamm niederließ, hörte man im Klausenerplatz-Kiez statt Protesten ein freundliches Hallo. Rasch bot eine Gruppe engagierter Anwohner Hilfe an, knüpfte ein Band der Freundschaft zu den Bewohnern. Doch nun beginnt ihre Arbeit wieder bei Null.

Es war einer der kältesten Abende des Jahres, da ging in der Nehring-Grundschule die Liste herum. In der überfüllten Aula hatte die Anwohnerschaft gerade eine Nachricht vernommen, die aufhorchen ließ. Neue Nachbarn seien angekommen. 100 Flüchtlinge, zumeist junge Familien, hätten Quartier bezogen in einem ehemaligen Jugendhotel. Also war rasches Handeln geboten. Ein Zeichen wollte man setzen, Kontaktdaten austauschen für gemeinsame Projekte. Den Gästen eine Willkommenskultur beweisen. Eva Gemüsay und etliche andere Zuhörer trieb nur eine wichtige Frage um: Was können wir für sie tun?

Wie sich herausstellte, eine Menge. Man sammelte rund 600 Euro Spenden, veranstaltete Nachbarschaftsfeste, spendete Bücher. "Manchmal halfen uns Dolmetscher, die Arabisch sprechen, manchmal unterhielten wir uns auf Englisch, oft mit Händen und Füßen", erzählt Helferin Nicole Kahmann. Gemeinsam besuchte man die Gärten der Welt in Marzahn, eine der erfreulichsten Erinnerungen, die ihr im Gedächtnis bleiben wird. "Da halfen die Großen den Kleinen und passten auf, dass dort im Labyrinth niemand verloren geht."

An einem heißen Sommerabend sitzen Eva Gemüsay, Nicole Kahmann und Ursula Rohland wieder an der Rezeption des ehemaligen Hotels. Sie fangen wieder von vorne an. Denn im Heim der AWO wohnen seit einigen Tagen andere. Junge Männer aus Afrika haben die Familien ersetzt - was damit zusammenhängt, dass es sich um ein Erstaufnahmeheim handelt, das immer wieder neue Bewohner begrüßt, während die alten umziehen.

Gemüsays Gruppe macht kein Hehl daraus, dass der plötzlich Bruch das Engagement nicht eben erleichtern. Nun also wohnen hier Männer wie Hafid aus Marokko, ein aufgeweckter Schlacks von 37 Jahren, der sich auf Zetteln notiert, was ihn voranbringen könnte. Hafid sagt seinen Gästen "guten Tag" in akkuratem Deutsch. Den Rest der Unterhaltung führt Gemüsay in französischer Sprache, lässt sich erklären, welche Art von Hilfe Hafid und seinen Gefährten willkommen wäre.

"Ich möchte beweisen, dass ich etwas kann", sagt Hafid. "Nicht nur immer hier sitzen und warten." Sein Denken kreist wie bei den meisten Bewohnern um das Asylverfahren und eine mögliche Zukunft danach.

Gaushar Besmil, die stellvertretende Leiterin des Heims, wäre deshalb froh, wenn die Nachbarn für Ausgleich sorgen. Sie wünscht sich "Angebote ohne große Verpflichtungen". Eine Runde Fußball, ein Kinobesuch. Und ein offenes Ohr. "Das sind junge Männer, die geschockt sind", erinnert Besmil an die schwierigen Voraussetzungen. Deshalb beginnt die neue Hilfskampagne der engagierten Nachbarn mit einem ganz unverfänglichen Angebot: Eine wöchentliche Teestube soll es geben, donnerstags um 18 Uhr. Die großen Probleme Hafids können Gemüsay und ihre Mitstreiter nicht beheben. Aber so lange er bei ihnen weilt, lindern die Nachbarn vom Klausenerplatz die kleineren Sorgen. So viel dürfte feststehen: Der Kiez wartet mit offenen Armen - egal, wer da kommt und wie lange er bleibt.

Wer im Heim ein Praktikum absolvieren, den Flüchtlingen ärztlichen Beistand anbieten oder sich auf andere Weise engagieren möchte, erreicht die stellvertretende Heimleiterin per E-Mail unter besmil@awo-mitte.de.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 530× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 539× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 523× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 378× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 555× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 864× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.