Kunstinstallationen zeigen die zerstörte Vielfalt

Ein Kaffee-Gedeck mit erschütternder Botschaft. | Foto: KEN
  • Ein Kaffee-Gedeck mit erschütternder Botschaft.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Charlottenburg. In einer ungewöhnlichen Präsentationsform - als Kunstinstallation in den Vitrinen am Kurfürstendamm 28, 29 und 34 - können im monatlichen Wechsel Geschichten jüdischer Berliner im Rahmen des Themenjahres "Zerstörte Vielfalt" entdeckt werden.

Den Auftakt der Reihe "Spuren, Hohlräume, Lehrstellen - Jüdisches Leben am Kurfürstendamm" macht vor der Hausnummer 28 "Café Wien - ein Familienporträt" der seinerzeit bekannten und erfolgreichen Gastronomenfamilie Kutschera (Café Wien, Zigeunerkeller, Filmbühne Wien). Geschaffen hat sie der Linzer Alexander Jöchl.Ganz unspektakulär, gar bescheiden erscheint die Installation auf den ersten Blick: ein Gedeck für vier Personen, eine alltägliche Familiensituation. Doch hier ist nichts alltäglich. Teller und Tassen sind umgedreht, auf dem Boden stehen Sätze aus persönlichen Dokumenten: "Bist du schon wieder gesund", niedergeschrieben am 26. März 1938, oder: "Noch immer keine Nachricht", nach Kriegsende 1945.

Die Installation ist laut Michael Fehr, Direktor des Instituts Kunst im Kontext an der Universität der Künste (UdK), etwas für den zweiten Blick. "Sie erinnert an die zunehmende Isolation der Familie durch die Verfolgung der Nationalsozialisten und auch daran, dass diese Familie nach 1945 so niemals mehr zusammengekommen ist", erläutert Elisabeth Weber. Die Historikerin am Deutschen Historischen Museum hat speziell zur Familie von Karl Kutschera geforscht. Ihre Arbeit diente dem Künstler als Grundlage für sein Werk.

"Ziel ist es, die Passanten des Kurfürstendamms für einen Moment in ihrer Konsum- und Flanierlaune zu unterbrechen, zu informieren und zu bewegen", so die Kuratorin Katja Jedermann vom Institut Kunst im Kontext. Kleine Erinnerungsstücke sollen aufscheinen lassen, was der Boulevard bis zu den 30er-Jahren war: das pulsierende Herz des Berliner Westens, Wohn- und Arbeitsplatz von Künstlern, Wissenschaftlern, Ärzten, Geschäftsleuten. Unter aller Augen wurden sie nach und nach in nur wenigen Jahren diffamiert, verfolgt, zum Verkauf, Auszug und zur Emigration gezwungen, deportiert und ermordet.

Die Idee für das Installationsprojekt hatte Sonja Miltenberger vom Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf. Miltenberger hatte vor drei Jahren eine ausführliche Studie zum Leben an der Prachtmeile ("Von Haus zu Haus am Kurfürstendamm") erarbeitet.

Rainer Klemke, Berater der Kultursenatsverwaltung und der Kulturprojekte GmbH, betont, dass das Vitrinen-Projekt wie auch die Stadtmarkierungen, etwa vor den Kurfürstendamm-Theatern, das Thema NS-Zeit in Berlin auf lokaler Ebene und biografisch behandle. Das mache möglich, "vor Ort die Menschen in das Bewusstsein der nunmehr 2,1 Millionen Neubürger und ihrer Gäste zu rufen, die unsere Stadt bis heute prägen, ohne dass dies den meisten bewusst ist. Damit widersetzen wir uns dem Ziel der Nazis, die diese Berliner für immer aus dem Gedächtnis der Stadt löschen wollten. Wir bringen unseren jungen Menschen der Wert der als selbstverständlich erachteten Freiheit und Vielfalt nahe, die wir heute genießen können, die wir aber immer wieder neu behaupten müssen."

Kulturstadtrat Klaus-Dieter Gröhler hebt hervor, dass das Thema durch die Vitrinen-Ausstellung viel besser an die Menschen herangetragen werde. "Das, was wir in den Museen zeigen, erreicht nicht jeden."

Extra aus Kalifornien angereist ist Jerry Kay. "Alexander Jöchl bringt die Kutscheras zumindest zeitweilig zurück an den Kurfürstendamm." Karl Kutscheras Enkel erlebte Berlin zum ersten Mal im zarten Alter von drei Jahren, 1950. Da war sein Großvater gerade gestorben. "Mein Vater fand hier Freunde wieder, ich habe neue gefunden. Freundschaft hat Hass und Verbitterung besiegt", sagt der 66-jährige US-Amerikaner.

Die Installation ist bis zum 3. Mai zu sehen. Sechs weitere Vitrineninstallationen werden zwischen Mai und Oktober 2013 folgen.
Karen Noetzel / KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 233× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 992× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 651× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.140× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.030× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.