Auf Augenhöhe mit Menschen ohne Obdach
Stadtmission eröffnet ihr neues "Zentrum am Zoo"

Koordinator Wolfgang Nebel und Psychologin Dagmara Lutoslawska gehören zum Team im "Zentrum am Zoo".  | Foto: Ulrike Kiefert
6Bilder
  • Koordinator Wolfgang Nebel und Psychologin Dagmara Lutoslawska gehören zum Team im "Zentrum am Zoo".
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Früher Polizeiarrest, jetzt „Hoffnungsort“ für Obdachlose, Wohnungslose, Arme und Vergessene. Das will es sein, das „Zentrum am Zoo“. Eröffnet hat es die Berliner Stadtmission vor wenigen Tagen.

Gläserner Empfangstresen, Deckenleuchten und roter Backstein statt schnöder Wandtapete. „Hier sieht's ja aus wie im Hilton.“ Der Satz stammt von einer Obdachlosen, die das „Zentrum am Zoo“ einen Tag vor seiner offiziellen Eröffnung schon mal neugierig beäugte. Wolfgang Nebel erzählt davon, weil das im Moment seine größte Sorge ist. „Dass sich keiner hereintraut, weil es ihm hier zu nobel aussieht.“ Denn wer nur den eigenen Schlafsack kennt, der ist mit dem normalen Leben schnell überfordert.

Das neue "Zentrum am Zoo" will den Obdachlosen diese Hemmung nehmen. Und nicht nur ihnen. Auch die Berliner sollen sich trauen. „Wir wollen ein Ort sein, an dem man sich auf Augenhöhe begegnet. Um Vorurteile abzubauen“, sagt Wolfgang Nebel, Koordinator des Zentrums. Bei Gesprächen mit Gästen, Ausstellungen, Gottesdiensten und Konzerten zum Beispiel. Oder bei Lesungen und Filmabenden. „Dort sitzt man Stuhl an Stuhl, lacht und weint zusammen, und stellt hinterher fest, mein Nachbar geht jetzt nicht wie ich nach Hause, sondern in seinen Schlafsack. Da denkt man dann drüber nach“, sagt Nebel. Dem Mann oder der Frau mit dem Schlafsack wiederum tut es gut, mal wieder einen Film zu sehen, Musik zu lauschen, sich zu unterhalten, kurzum, nicht ausgegrenzt zu sein.

Begegnen, beraten, bilden

Inhaltlich steht das Zentrum der Stadtmission für drei Bs: begegnen, aber auch beraten und bilden. Zwei Psychologinnen und eine Sozialarbeiterin gehören darum zum Team. „Wir suchen rund um den S-Bahn-Ring in Bahnen und Bussen Menschen in prekären Situationen auf, sprechen sie an und leisten erste Hilfen“, erklärt Dagmara Lutoslawska. Mobile Einzelfallhilfe nennt die Stadtmission das. Auch eine Seelsorgerin ist als „Mutmacherin“ am Bahnhof unterwegs. Fürs Bilden bietet die Stadtmission im Zentrum Seminare und Workshops an. Denn neben Foyer und großem Saal gibt es einen trennbaren Tagungsraum. Das Zentrum will sich auch Schulklassen öffnen – in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt. In der „Lernwelt Armut“ geht es beispielsweise um Fragen wie: Warum müssen in einem so reichen Land wie Deutschland überhaupt Menschen auf der Straße leben? Wie entsteht Armut? Was brauchen Menschen ohne Obdach?

Rund 500 Quadratmeter groß ist das „Zentrum am Zoo“. Es liegt in den S-Bahnbögen, in Nachbarschaft zur Bahnhofsmission an der Jebensstraße, die täglich mehrere hundert Obdachlose aufsuchen. Dort bekommen sie Essen und warme Getränke, etwas zum Anziehen oder einen Schlafsack, dort können sie duschen und auf die Toilette gehen. „Unser neues Zentrum ergänzt dieses  Angebot“, sagt Wolfgang Nebel. Geplant war es schon länger. Als die Deutsche Bahn der Stadtmission die Räume in Premiumlage dann vor einigen Jahren anbot, war die Chance da. 25 Jahre kann die Stadtmission nun bleiben – mietfrei. Die Bahn zahlt auch die Betriebskosten.

Zellentüren als Deko

Für den Umbau der früheren Polizeistation 24, in der auch „Christiane F.“ mehrmals in Gewahrsam sitzen musste, kamen 2,5 Millionen Euro zusammen: von der Lottostiftung, über das Bundesförderprogramm „Aktive Zentren“, vom Berliner Senat, von Unterstützern und Sponsoren. Viel Arbeit machte vor allem der Trockenausbau des Backsteingewölbes. Bauarbeiter sandstrahlten wochenlang den schmutzigen Putz von den Mauern. Be- und Entlüftung und der Brandschutz waren ebenfalls nötig. So dauerte die Sanierung am Ende anderthalb Jahre. Dabei wurde auch ein zugemauerter Raum entdeckt. Auf dem Boden lagen noch drei alte Getränkedosen. Die hat man natürlich weggeworfen. Aber als Objekte der Zeitgeschichte hat die Stadtmission die Zellentüren der Polizeistation im Foyer aufgehängt – mit eingeritzten Kommentaren damaliger Insassen.

Im Foyer des "Zentrums am Zoo" hängen aktuell auch Portraits obdachloser Menschen. Debora Ruppert hat sie auf Berlins Straßen fotografiert. Die Ausstellung „KeinRaum“ ist vom 4. März bis zum 28. Mai zu sehen.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 243× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.003× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 656× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.147× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.033× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.