Bikini Berlin will das Einkaufen neu erfinden
Auf dem Pavianfelsen unten im Zoo bricht ein Aufruhr los, da strecken zwei Freundinnen die Beine auf der Bank aus. "Das ist schon eine Überraschung", raunt Elfriede Rosengart. Und Bärbel Ciachowski muss nicken. "Ich weiß noch wie heruntergekommen das Ganze war. Und nun sitzen wir hier."
Hier - das ist die neue Dachterrasse des Bikini Berlin. Freier Blick auf Tiergehege, Bänke mit Liegefunktion, klingende Glocken vom Breitscheidplatz. Dass die Öffentlichkeit willkommen sein würde, das hatten die beiden Damen gelesen. Aber tatsächlich einfach so auf privatem Grund daliegen, ohne dass ein Kellner kommt?
Bikini Berlin überrascht. Auf 17 000 Quadratmetern Fläche füllen Gastronomie und Einzelhandel das Haus - darüber wird noch gewerkelt, bis im Mai Büromieter Einzug halten. Die Baukosten? Sie dürften im dreistelligen Millionenbereich liegen. Wobei manche Besucher sich doch die Frage stellen, warum sie von unverputzten Betonwänden, freiliegenden Rohren und einer leicht gekünstelten Patina umgeben sind. "Wir werden das noch ausgiebig erkunden", verspricht Ciachowski, bleibt aber vorerst auf der Bank.
Wer die drei Verkaufsebenen betritt, wandelt auf Berliner Gehwegplatten, sieht eine fröhlich-verrückte Möblierung. Man beachte das Sofa, das auf Birkenholzstümpfen steht. Und natürlich bislang rar gesäte Geschäfte mit meist jugendlicher Mode und Nischenprodukten. Lindgrüne Stahlträger schaffen Bezüge zum Zoo. Scheinbar planlos verteilte Holzkisten verkünden das kesse Chaos des neuen Berlins.
Es sind keine kleinen Ansprüche, mit denen Bayerische-Hausbau-Geschäftsführer Kai-Uwe Ludwig vor der Gedächtniskirche antritt. Was Kunden im total sanierten 50er-Jahre-Denkmal finden? "Meisterhand und Maßarbeit für Sie, Sie und nochmals Sie."
Kundenorientierung soll sich von aufdringlicher Produktpräsentation befreien. Interaktion heißt das Schlüsselwort. Fühlbar wird es im "Supernova", einem Ladenlokal, in dem die Agentur Kemmler und Kemmler den Kunden im Auftrag von namhaften Konzernen zum Helden kürt. Verfolgt von 50 Kameras kann der Besucher hier auf eine Torwand zielen. Und findet sich nebenan in einem virtuell nachgebildeten Stadion zum Fußballstar verwandelt, kann diese Bilder via Internet herunterladen, mit Freunden teilen. "Wir leben im sozialen Zeitalter", sagt Betreiber Sebastian Kemmler. "Jetzt werden nicht mehr Produkte zu Ikonen, sondern Menschen." Was zähle, sei eine gute Geschichte.
Erfolgsgeschichten städtebaulicher Art kann nun Bürgermeister Reinhard Naumann verkünden. "Bruder Zoo Palast bekommt mit dem Bikini Berlin seine Schwester zurück", umschreibt er die neue Situation in der "Creative World" Charlottenburg. Jetzt hat sie also eine entsprechende Einkaufskultur. Und die geht oft wunderliche Wege.
Manches Geschäft löst sich sogar in Luft auf: Die hölzernen Pop-up-Stores setzen bewusst auf befristetes Kaufvergnügen - vergänglich wie jede Freude. "Shop different" heißt das Bikini-Berlin-Credo. Anders sein, das gilt auch für Werbemodels, die mit Zahnlücken und furchigen Gesichtern im Stadtbild hängen. Selbst den Teufel konnte man als Botschafter gewinnen. Der trägt jetzt angeblich nicht mehr eine Mailänder Nobelmarke - sondern Bikini.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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