Der Kiez in pink: Aktion verweist auf die Ausstellung „93 Straßenschilder“

Das Schild der Krossener Straße fällt dezreit durch den pinkfarbenen  Mast. | Foto: Thomas Frey
3Bilder
  • Das Schild der Krossener Straße fällt dezreit durch den pinkfarbenen Mast.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain. In Friedrichshain sind derzeit 93 Masten von Straßenschildern mit einer pinkfarbenen Folie überklebt. Die Farbtupfer finden sich rund um den Boxhagener Platz, aber auch im Samariterviertel oder westlich der Warschauer Straße.

Das ist kein Zufall. Denn in diesen Quartieren gibt es noch mehrere Straßen, die nach Städten benannt sind, die heute in Polen liegen. Insgesamt sind es neun, die es auf 93 entsprechende Hinweisschilder bringen. Daher der Name für das Kunstprojekt und die parallel dazu stattfindende Ausstellung, die bis zum 20. September im Projektraum der Alten Feuerwache, Marchlewskistraße 6, zu sehen ist.

Verantwortlich dafür sind mehrere Künstler aus Friedrichshain, etwa vom Kollektiv „Kollegen Zweikommadrei“. Sie wollen damit nicht nur die Namen, sondern auch die besondere Beziehung zwischen Polen und Deutschland ins Bewusstsein rücken. Deshalb gibt es anhand der Städtespuren auch gleich ein wenig Nachhilfe in Geschichte, Geografie und Gesellschaft.

Kadin beispielsweise heißt jetzt Kadyny und befindet sich in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, also im östlichen Polen. Aus Krossen, einst mit C als Anfangsbuchstaben geschrieben, wurde Krosno Odrzanskie. Wie der Name schon andeutet, liegt die Stadt an der Oder. Oder Konitz, heute Chonjnice, in der Woiwodschaft Pommern. Die dazugehörige Straße, die von der Simplonstraße abgeht, ist nur wenige Meter lang und damit die Kleinste. Die Längste ist wiederum die Grünberger Straße, polnisch Zielona Gora. So heißt auch ein alternatives Szenelokal gegenüber dem Boxhagener Platz. Zielona Gora, in Niederschlesien gelegen, hat heute rund 118 000 Einwohner und ist eine Universitätsstadt.

Solche und weitere Informationen sind an den Pinkmasten und in der Ausstellung nachzulesen. Und zwar jeweils auf deutsch und polnisch. Dazu gibt es in der Schau auch zwei völlig konträre Hörbeispiele. Einmal geht es um einen polnischen Zwangsarbeiter in Deutschland, im anderen Fall um einen Autoschmuggler.

Ihre Namen erhielten die Straßen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie erinnern an die Zuwanderung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Damals kamen von dort mehrere hunderttausend Menschen nach Berlin. Ihr Ankunftsort war häufig der damalige Schlesische Bahnhof, der heutige Ostbahnhof. In dessen Umgebung fanden viele ihre erste und nicht selten dauerhafte Unterkunft. Ähnliches gilt für die Kreuzberger Gebiete jenseits der Spree und dem dortigen Görlitzer Bahnhof. Auch hier stehen Namen wie Oppelner-, Glogauer- oder Schlesische Straße für diese Vergangenheit.

In Friedrichshain gab es einst noch weitaus mehr Straßen mit Städtenamen aus dem heutigen Polen. Sie sind zu DDR-Zeiten verschwunden. Zum Beispiel die Bromberger Straße, die zur Helsingforser Straße wurde. Die Wedekindstraße hieß früher Posener Straße und Am Ostbahnhof Breslauer Straße.

Warum neun Straßen die Umbenennung überlebten ist nicht klar. Möglicherweise, weil sie aus DDR-Sicht weniger historisch belastet waren oder vielleicht auch, weil sich keine zufriedenstellende Alternative fand.

Dabei wird es wohl auch bleiben. Auch wenn sich eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts am 3. September mit dem Thema Umbenennungen beschäftigt. Sie beginnt um 18 Uhr in der Alten Feuerwache.

Dass ehemalige deutsche Städte heute noch mit ihren deutschen Namen aufgeführt sind, ist auch nicht unbedingt das Problem. Wichtiger ist, dass die Kunstaktion den Blick auf unser östliches Nachbarland schärft und manches ans Tageslicht befördert, was vielen nicht bekannt war. Und vielleicht animiert das Projekt auch zu einem Besuch einer der Städte. tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 186× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 161× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 223× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 602× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.