Buchvorstellung
Brainspotting - Uwe Kraus - Roman! 3. Teil

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Liebes Berlin, hier mein dritter Teil meiner Biographie...

Ich sah gelb.

Vielleicht wisst ihr, was eine Bong ist oder ein
Eimer. Mittlerweile machten wir eine Sportart
aus dem Kiffen – wer raucht wen unter den
Tisch? Wer baut die härtesten Bongs, die größten
Kawumms? Einen Eimer kann man auf
mehrere Weisen bauen. Wir bauten immer solche:
zwei abgeschnittene Colafl aschen werden
ineinander gesteckt, eine 1,5- und eine 1-Liter
Flasche. In das untere, das größere Stück füllt
man Wasser und in das obere, das Mundstück,
steckt man ein perforiertes Stück Alufolie, in
dem man die Mischung, also den Tabak mit
dem kleingebröselten Gras oder Haschisch,
entzündet. Dann zieht man langsam die obere
Plastikflasche nach oben und durch den
Unterdruck, der in der Flasche dann entsteht,
kommt eine Menge Qualm in die Flasche. Je
gelber und kräftiger, desto besser. Dann vorsichtig
das kleine Stück Alufolie vom Mundstück
der Flasche abgenommen und den
Rauch tief eingesogen bis die Flasche leer ist.
Uns kam es nicht auf den Wochentag an, wir
kifften immer. Auch vor Klausuren, die wir mit
unseren vereiterten Hirnschalen dann in den
Sand setzten. Es ging irgendwann nichts mehr
rein.

Doch vergaß ich mich umzubringen,
Da ich am Schluss dachte:
Dann werd ich Müllmann.

Aber an diesem einen Abend war es anders, zu
viel. Ich zerbrach, mein erster Schock. Wir saßen
im Bauwagen bei Schlafi, einem Freund.
Ich hatte ihn mit zehn bei den Pfadfi ndern
kennen gelernt. Sein Vater fuhr uns immer zur
Schule. Er war ein Jahr älter als ich und hatte
eine Schwester in meinem Alter. Wir feierten
Europameisterschaften und Weltmeisterschaften
bei ihm und seinen Eltern im Wohnzimmer
und jetzt, jetzt musste ich in seinem Bauwagen
kotzen, weil ich ihm beweisen wollte, mehr rauchen
zu können als er.

Ich musste die Augen schließen, doch alles in
dem Bauwagen war nun in meinem Kopf. Ich
war taub und konnte nicht mehr gehen, ich hatte
das ganze Gefüge des Raumes in mir. Gelb,
ich war gelb wie die Simpsons. Der Bewusstlosigkeit
nah, sah ich die Poster und die Schallplattenspieler,
die Bongs und den ganzen Bauwagen
vor mir als hätte ich die Augen offen. Ich
wollte aufstehen und sackte zusammen.

Schlafi sagte, ich solle den Kotzeimer endlich
raustragen. Doch ich konnte nicht mal stehen,
meine Beine versagten. Kälte überfi el mich,
dann wurde die Tür geöffnet und die frische
Luft tat gut. Nervenzusammenbruch. Zu viel
gekifft. Eimer. Dosen. Bongs.

Over and out

Ich war nicht mehr ich selbst und als ich die
Augen öffnete, war alles gelb. Schlafi, der Züchter
dieser halluzinogenen Pflanzen, spielte ausgerechnet
The Unknown Soldier von den Doors.
Dann kam mein Vater.

Das war ich. Ich fühlte mich wie Jesus, verkündete
drei Tage später die Apokalypse in der Innenstadt
und sang von der Sonne, die von ewigen
Höllenqualen Blut tropfend auf uns niederbrenne.
Ich kam mir vor wie der Rattenfänger
von Hameln. Ich lief durch die Stadt, ein Schüler
mit telepathischen Fähigkeiten. Sophokles,
Antigone, Lysergsäure, meine paranoideste Phase.
Im Karstadt-Café glaubte ich, Theaterschauspieler
zu sein und wollte für eine Vorstellung
üben. Überhaupt schlüpfte ich immer in andere
Personen, mal war ich Nietzsche, mal Karl der
Große, diesmal Theaterschauspieler. Ich saß da,
vor mir eine Tasse Tee – ich trank damals nur
Tee – und sprach in klar formuliertem Hochdeutsch
vom griechischen Altertum. Aber nicht
nur einen Akt, ich las das ganze Buch vor. Die
Leute schien das gar nicht zu stören, jedenfalls
kam niemand, um mich rauszuschmeißen.

Doch die Psychose rückte an. Mit meinem Vater
kam die Apokalypse zu Schlafi s Bauwagen.

Natürlich brachte mein Vater mich nicht vors
Jüngste Gericht. Apokalypse bedeutet für mich
totale Verwirrung, der Anfang vom Ende. Und
der Scham vor meinen Eltern.

1996, keiner freut sich.

Immer freitags gab es ein Gramm Hasch in der
Schule. Für zehn Mark. Ich hab dann mit Schlafi
und der Heißklebepistole noch eine Bong gebaut:
Wir schnitten einen neuen Weinkanister
in zwei gleich große Teile und setzten sie mit
einer perforierten Trennung aufeinander. Dann
klebten wir alles mit einer Heißklebepistole wieder
zusammen und füllten in den einen Bauch
Wasser. In die Zotte kam ein Luftröhrchen mit
einem Kopf. Sie sah aus wie bei Star Trek und
blubberte. Wir tauften sie Enterprise. Da ich immer
übertreiben musste, wollte ich eine vierbäuchige
Bong bauen, doch ich verbrannte mir die
Finger am heißen Kunststoff.
Ich rauchte auch auf der Terrasse meiner Eltern.
Die wussten nichts davon. Im herbstlichen
Garten standen Büsche und Bäume und jedes
Mal, wenn ich mit meiner Zigarette einen Baum
anblies, kam ein Windstoß und bewegte ihn
kryptisch. Heute weiß ich: das waren die Vorboten
einer größenwahnsinnigen Dekade.

Ich war dabei, durchzudrehen.
Was hatten die mir gegeben?
Xanten

Vielleicht wäre ich davongekommen, wenn
nicht Xanten gewesen wäre. Ich brach, nein, ich
verdrehte mein Bein und musste operiert werden.
Kreuzbandriss. Krankenhaus. Vollnarkose.
Konnte nicht mal mein Zeugnis abholen.

Wir waren mit dem Lateinkurs nach Xanten
gefahren, um die Römerstätten zu besuchen.
Auf dem Zeltplatz kauften wir uns gleich reichlich
Bier und im Supermarkt auch eine Flasche
Wodka und Jägermeister und mischten alles
mit Cola und Fanta. Das macht die Knochen
weich. Und die Birne.

Autor:

Uwe Kraus aus Friedrichshain

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