Der „Elder Statesman“ geht: Werner Hirschmüller von den Grünen verlässt die BVV
Friedrichshain-Kreuzberg. Sein Platz in der Bezirksverordnetenversammlung war nicht in der ersten Reihe. Trotzdem war Werner Hirschmüller (Bündnis 90/Grüne) eine wichtige Figur im Politikbetrieb von Friedrichshain-Kreuzberg.
Damit ist jetzt Schluss. Am 24. Juni nahm Hirschmüller Abschied von der BVV. Er werde mit seiner Frau in seine Heimatstadt Hannover ziehen, erklärte der 67-Jährige. Beide sind inzwischen Rentner und in der niedersächsischen Landeshauptstadt hätten sie ein Haus geerbt.
Seinen Rückzug verkündete Hirschmüller zuvor im Haushaltsausschuss. Dort war er seit 2006 Vorsitzender. Schon dieser Posten erklärt seine wichtige Stellung im Politikgefüge des Bezirks. Die Haushälter wachen über das Geld. Das ist die Königsdisziplin aller Berliner Kommunalverwaltungen. Und der Oberwächter war nicht nur wegen seines Amtes Werner Hirschmüller.
Wenn es um Zahlen ging, kannte der Vorsitzende keine Verwandten. Auch Stadträte, die seiner Partei angehörten, zitierte er vor das Gremium, wenn in ihren Abteilungen die Ausgaben für ein Loch in der Kasse sorgten. Solide Finanzen waren für den Grünen immer ein wichtiges Beispiel für Nachhaltigkeit.
Aber natürlich war er auch geübt, Schwachstellen des politischen Gegners zu erkennen und dagegen eine Attacke zu reiten. Deutlich wurde das im Schulausschuss, den er zuletzt ebenfalls leitete. Die Planungen des Schulamts hielt er für nicht schlüssig, was vor allem als Angriff auf Stadtrat Dr. Peter Beckers (SPD) zu werten war.
Politik und Verwaltung zu kontrollieren und auf Dinge hinzuweisen, die die Bevölkerung umtreiben, so habe er seine Aufgabe als Bezirksverordneter verstanden, sagt Werner Hirschmüller. Dabei räumt er ein, dass er manchmal auch als Parteisoldat agiert hat.
Denn der Mann ist nicht nur ein Grünes Urgestein und amtierte zeitweise als Schatzmeister der Landespartei, sondern konnte bereits vor der Gründung der Alternativen auf eine bewegte politische Vita zurückblicken. Als Mitglied des Studentenausschuss (Asta) der staatlichen Ingenieurakademie Hannover machte Hirschmüller als 21-Jähriger im Sommer 1969 sogar bundesweit Schlagzeilen. Mit anderen Asta-Mitgliedern hatte er von der Stadt die Erlaubnis erhalten, an einem Informationsstand Flugblätter zu verteilen, die auf die Probleme der Ingenieurstudenten hinwiesen. Trotzdem stürmte die Polizei die Aktion. Hirschmüller wurde zu Boden gerissen und landete in einem Busch. Danach musste sich die Polizei für das Vorgehen entschuldigen und beim Wiederaufbau des Stands helfen.
Zwei Jahre später ging er nach Berlin. „Nachdem mir klar wurde, dass in Hannover keine Revolution ausbricht, habe ich mir gedacht, vielleicht gelingt das hier noch“, meint er heute lachend.
Längst ist aus dem Spät-68er eine Art Elder Statesman geworden, dessen Rat und Lebenserfahrung in seiner Partei und darüber hinaus gefragt waren – ohne dass er deshalb weniger streitbar geworden wäre.
Seinen Rückzug habe er bereits vor einem Jahr angekündigt, sagt Werner Hirschmüller. „Auch wenn ich mich nicht so alt fühle – ich bin 67. Es können deshalb ruhig weitere Jüngere nachrücken.“ Alle Brücken will er aber nicht abbrechen. „Ich habe darum gebeten, dass ich bis zum nächsten Jahr weiter im E-Mail-Verteiler der Bezirkspartei bleibe.“
tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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