Containerdorf im Allende-Viertel nimmt Betrieb auf
Heimleiter Peter Hermanns (51) vom Internationalen Bund kann kaum ein paar Schritte machen, ohne angesprochen zu werden. Erst hat ein Handwerker ein paar Fragen, dann bringen die Wachschützer einen Mann, der Kleidung spenden will. "Kurz nach Weihnachten kamen die ersten 28 Bewohner, zum Jahresende noch einmal 20. Sie wurden aus der völlig überfüllten Notaufnahmeeinrichtung aus Spandau nach Köpenick gebracht", erzählt Heimleiter Hermanns.
Noch müssen einige Nacharbeiten ausgeführt werden, sind noch nicht alle Gemeinschaftsräume betriebsfähig. Die Zimmer jedoch sind bezugsbereit. Sie sind bescheiden ausgestattet: zwei Betten, zwei Schränke, ein Tisch und zwei Stühle sowie ein Kühlschrank. Denn die Heimbewohner müssen sich in ihrer neuen Unterkunft selbst verpflegen. Im Aufnahmeheim gab es Gemeinschaftsverpflegung aus der Kantine, hier wird in einer der Gemeinschaftsküchen selbst gekocht. In jedem dieser Räume stehen fünf Elektroherde und fünf Spülen.
Vom Protest einiger Anwohner, die in der Vergangenheit sogar mit "Sonntagsspaziergängen" gegen das Heim mobil machten, ist derzeit nichts zu merken. Immer wieder kommen Besucher aus dem Wohngebiet, die sich ein Bild von der Wohnunterkunft machen wollen. Dabei haben Hermanns und seine elf Kollegen eigentlich keine Zeit für Hausführungen, denn jeden Tag wollen auch mehrere Journalisten einen Blick hinter die Kulissen werfen. Immer wieder geben Anwohner Spenden ab, die in einer nahen Schule von Ehrenamtlichen sortiert werden.
"Eine Frau hat angerufen und sich beschwert, dass den Kindern aus dem Heim eine Extrawurst gebraten wird und für Anwohnerkinder nichts unternommen wird. Das ist völliger Blödsinn, alle Angebote für Kinder sollen in Zukunft auch für Anwohner offen sein, zum Beispiel Fußballkurse gemeinsam mit dem Köpenicker SC", berichtet Peter Hermanns. Manche Leute, die noch immer keinen Frieden mit den neuen Nachbarn gemacht haben, schauen nicht einmal genau hin. Als die ersten neuen Heimbewohner neben ihrem wenigen Gepäck auch einen Fernseher aus dem Großraumtaxi luden, welches sie nach Köpenick gebracht hatte, gab es bei Facebook gleich Meckerei über die ach so wohlhabenden Flüchtlinge. "Dass der Fernseher ein rund 15 Jahre altes Röhrengerät war, ist den Kritikern leider entgangen", meint Heimleiter Hermanns. Auch via Internet verbreitete Gerüchte, ein gleich neben dem anderen Asylbewerberheim an der Salvador-Allende-Straße befindlicher Supermarkt würde wegen zahlreicher Diebstähle schließen müssen, ist nur ein Gerücht. Nach Rücksprache des Heimleiters mit dem Marktleiter kam heraus, dass es weder Diebstähle noch Schließungsabsicht gibt.
Bis Mitte Januar sollen die 400 Heimplätze belegt sein. Dann haben Hermanns und seine Kollegen noch mehr zu tun, bis sich der Alltag einstellt. Für den sind die Mitarbeiter gut aufgestellt. Neben Deutsch wir im Team um Hermanns auch Englisch, Französisch, Serbokroatisch, Russisch, Griechisch sowie etwas Arabisch und Farsi, die Sprache der Bewohner Afghanistans, gesprochen.
Bisher hatte der Sozialpädagoge Peter Hermanns beruflich mit Flüchtlingen noch nichts zu tun. Für den Internationalen Bund war er jedoch viele Jahre in der Wohnungslosenhilfe tätig. "Auch diesen Menschen haben wir ein Dach über dem Kopf und Zuwendung angeboten, genau wie den Flüchtlingen, die jetzt in Köpenick eine Heimat auf Zeit finden", verspricht Peter Hermanns zum Abschied.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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