"Wir sind Teil des Milieus, wir sind schützenswert"
Mieter im Wrangelkiez schreiben Brief an Finanzsenator

Protest gegen Ausverkauf: Mieter aus Wrangelstraße fordern für ihr Wohnhaus das Vorkaufsrecht ein. Sie sind nicht die einzigen. | Foto: Mieterinitiative
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  • Protest gegen Ausverkauf: Mieter aus Wrangelstraße fordern für ihr Wohnhaus das Vorkaufsrecht ein. Sie sind nicht die einzigen.
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Kreuzberg, Wedding, Moabit, Prenzlauer Berg: Vielerorts protestieren Mieter gegen den Ausverkauf ihrer Häuser. Mit Plakaten, Demos und offenen Briefen an Politiker. Jüngstes Beispiel ist die Wrangelstraße 83.

Der Protest ist überall sichtbar: „23 Häuser sagen nein!“, „Willi wollt's anders“ oder „Osloer Kolonie bleibt“ steht auf Transparenten, die an Hausfassaden oder Zäunen hängen. In vielen Teilen der Stadt kämpfen Mieter darum, dass ihre Häuser von der öffentlichen Hand erworben werden, um sie privaten Immobilieninvestoren zu entziehen.

Der Kreuzberger Wrangelkiez ist so ein Fall. Dort protestieren aktuell 17 Mieter aus zwölf Wohnungen der Wrangelstraße 83 gegen den Verkauf ihres Hauses an einen privaten Investor. Sie haben das Mieterbündnis „Willi wollt's anders“ gegründet und einen offenen Brief an Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) geschrieben. „Unsere Mieten rangieren zwischen fünf und acht Euro pro Quadratmeter und fünf Mietparteien erhalten Transferleistungen. Ein Verkauf an einen privaten Investor würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende dieser bunten Hausgemeinschaft bedeuten“, heißt es in dem Schreiben an den Senator. Und: „Bitte kümmern Sie sich um die Wrangelstraße 83.“

"Willi wollt’s anders"

Wie viele andere Mietshäuser liegt auch die Wrangelstraße 83 in einem Milieuschutzgebiet, nämlich in der „Luisenstadt“. Ehemaliger Eigentümer des Wohnhauses ist Willi Kolberg, der sich gegen den Weiterverkauf stemmte und den Mietern in seinem letzten Willen ein lebenslanges Wohnrecht zugestanden haben soll. Darauf pochen die Mieter jetzt. „Der Käufer unseres Hauses hat bereits bei zwei anderen Objekten in unserer Straße bewiesen, dass er genau dem spekulativen Muster von Renovierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen folgt“, so das Mieterbündnis. Mit den zwei Objekten sind die Wrangelstraße 20 und 79 gemeint. Die Frist für das Vorverkaufsrecht der Wrangelstraße 83 läuft laut Mietern am 10. August aus. „Wir sehen das Land Berlin ganz klar in der Verpflichtung, hier über den Bezirk vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und fordern den Senat für Finanzen auf, die notwendigen Zuschüsse hierfür schnellstmöglich bereitzustellen. Wir sind Teil des Milieus, wir sind schützenswert.“

Unterstützung bekommen die Mieter von der SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe. „Der Umgang mit dem Lebenswerk und Vermächtnis von Willi Kolberg ist erschütternd. Wohnhäuser wie in der Wrangelstraße 83 müssen gemeinwohlorientiert bewirtschaftet werden“, sagt die Politikerin und fordert im konkreten Fall die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts.

Diese Möglichkeit haben die Bezirke, wenn die Häuser in einem Milieuschutzgebiet liegen. Mitte hatte es unlängst wie berichtet für die Waldenserstraße 9 in Moabit getan. Dort sollte das Grundstück samt Wohnhaus mit 55 Wohnungen an einen schwedischen Immobilieninvestor verkauft werden. Für 16 weitere Wohnhäuser in Milieuschutzgebieten, darunter die Wrangelstraße 5, hatten Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg nach Mieterprotesten Mitte Juli sogenannte Abwendungsvereinbarungen mit der Käuferin, der Deutsche Wohnen, abschließen können. Mit diesem Vertrag verzichten die Bezirke auf ihr Vorkaufsrecht, im Gegenzug hat sich die Käuferin verpflichtet, 20 Jahre lang auf die Umwandlung in Wohneigentum und Luxussanierungen zu verzichten.

Angst vor Mieterhöhungen

Während die Mieter in den Häusern, die die Deutsche Wohnen kaufen will, sicher sein können, dass sie nun geschützt sind, müssen Bewohner in anderen Häusern weiter bangen. In der Luxemburger Straße 31 im Wedding und in der Moabiter Oldenburger Straße 3 zum Beispiel. Oder in der Koloniestraße 13 und in der Osloer Straße 93 und 93A in Gesundbrunnen. „Auch uns droht nun das Schicksal zahlreicher Hausgemeinschaften, Kleingewerbetreibenden und Einzelpersonen, die dem Ausverkauf, dem Mietenwahnsinn und der Verdrängung bereits zum Opfer gefallen sind“, befürchtet die Mieterinitiative „OsKo.bleibt“.

Zutiefst verunsichert sind auch mehr als 100 Mieter, darunter viele Senioren und Eltern mit Kindern, im Prenzlauer Berg. Ihre Häuser Malmöer Straße 12, Paul-Robeson-Straße 27 und 27a, Malmöer Straße 15 und Czarnikauer Straße 11 sind ebenfalls an den schwedischen Imobilieninvestor verkauft worden. „Damit drohen erneut Mieterhöhung und Verdrängung alteingesessener Mieter“, sagen Katja Runge und Henry Neumann von der Mieterinitiative im Nordischen Viertel. Das Bezirksamt haben sie bereits aufgefordert, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Von Finanzsenator Kollatz fordern sie einen Zuschuss, damit eine städtische Wohnungsbaugesellschaft oder ein gemeinwohlorientierter Käufer ihre Häuser kaufen kann. 2019 hatte das Bezirksamt für vier Wohnhäuser im Florakiez eine Abwendungsvereinbarung mit der Deutschen Wohnen sowie mit der neuen Eigentümerin des Hauses Paul-Robeson-Straße 17 abgeschlossen.

Protest gegen Ausverkauf: Mieter aus Wrangelstraße fordern für ihr Wohnhaus das Vorkaufsrecht ein. Sie sind nicht die einzigen. | Foto: Mieterinitiative
Der Gebäudekomplex mit 33 Wohnungen an der Koloniestraße Ecke Osloer Straße liegt im Millieuschutzgebiet "Reinickendorfer Straße".  | Foto: Mieterinitiative
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Ulrike Kiefert aus Mitte

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