Mehr Chancen für Alleinerziehende
Bezirksamt und sozio-kultureller Träger unterstützen Ein-Eltern-Familien
Alleinerziehend, aber nicht allein gelassen – dank eines guten Netzwerks und dem Wissen über die eigenen Rechte und Stärken. Diese Idee steckt hinter einem Pilotprojekt des Bezirksamtes für Ein-Eltern-Familien aus Lichtenberg. Der Bezirk will damit sein Hilfsangebot ausbauen.
Der laut Zertifikat familienfreundliche Bezirk Lichtenberg ist gleichzeitig jener mit den zweitmeisten Alleinerziehenden in der ganzen Stadt; mehr Ein-Eltern-Familien gibt es nur in Marzahn-Hellersdorf. In einigen Neu-Hohenschönhausener Kiezen liegt ihr Anteil bei 45 Prozent.
Weil eine weitere Statistik besagt, dass die Hälfte der Kinder von Alleinerziehenden Transferleistungen bekommt, hat das Bezirksamt beschlossen, die Single-Eltern besser zu unterstützen: mit Angeboten zu flexibler Kinderbetreuung, mit besserer Beratung rund um den Beruf, aber auch mit der Selbstverpflichtung, mehr Alleinerziehende in der Verwaltung auszubilden beziehungsweise einzustellen.
In Kooperation mit dem Verein für ambulante Versorgung Hohenschönhausen (VAV) hat der Bezirk bereits diverse Hilfsprojekte umgesetzt. Ein Pilotvorhaben, das in diesen Tagen zu Ende geht, trägt den etwas sperrigen Titel „Empowerment, Vernetzung und Unternehmenszugänge für Alleinerziehende Eltern“. Neben dem VAV haben die Berliner Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender Shia und das Jobcenter Lichtenberg daran mitgewirkt.
Der Kurs fand im Nachbarschaftszentrum Ostseeviertel statt und hat eine Gruppe alleinerziehender Mütter und Väter über einen Zeitraum von 20 Wochen begleitet, geschult, unterstützt – mit dem Ziel, alle Teilnehmer langfristig in Arbeit zu bringen. Und zwar möglichst in einem Umfang, der keine Extra-Sozialleistungen mehr nötig macht.
„Wir wollen mit diesem Angebot erreichen, dass sich die Alleinerziehenden gegenseitig besser unterstützen“, erklärt die Lichtenberger Gleichstellungsbeauftragte und Projektleiterin Majel Kundel. „Gleichzeitig fördern und stärken wir ihre individuellen Ressourcen.“
Das alles geschieht in Form von Workshops und mit einem speziellen Choaching. Die Single-Eltern erfahren zunächst viel Wissenswertes über ihre Rechte, etwa über das Kindschafts- oder das Umgangsrecht. Infos gibt es aber auch zu Möglichkeiten, jenseits von Transferleistungen finanzielle Hilfen zu bekommen. Experten sprechen über kluges Zeitmanagement, Methoden der Konfliktlösung, der Entspannung. Wenn es um die berufliche Zukunft geht, gilt es erst einmal, Fragen zu klären. Welche Voraussetzungen und Kompetenzen sind da? Welche Wünsche? Welche Wege der Aus-, Weiter- oder Fortbildung gibt es? Trainingseinheiten für Bewerbungen inklusive einer ansprechenden Selbstpräsentation schließen sich an. Nicht zuletzt sorgt das Projekt für persönliche Kontakte zu Unternehmen. Wenn alles perfekt läuft, steht am Ende der 20 Wochen ein Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag.
Was hat der Kurs den Teilnehmern gebracht?
Ganz so weit ist Natalie Freund noch nicht. Die alleinerziehende Mutter steckt noch mitten im Bewerbungsprozess, zieht aber schon eine positive Bilanz ihrer Kursteilnahme. „Es ist einfach gut, genau über die eigenen Rechte Bescheid zu wissen“, sagt sie. „Außerdem habe ich erst durch das Projekt vom neuen Angebot der flexiblen Kinderbetreuung erfahren, das ich jetzt nutze. Einmal pro Woche kommt eine Betreuerin für fünf Stunden zu mir und kümmert sich um meinen kleinen Sohn. Das hilft mir schon sehr, mich besser auf die Suche nach einer passenden Stelle zu konzentrieren.“
Teilnehmer Marco Grosse hat seine Zukunft bereits ganz klar vor Augen. Er wird demnächst eine berufsbegleitende Ausbildung zum Erzieher beginnen. „Gleich zwei Kitas wollten mich haben“, erzählt der alleinerziehende Vater von zwei Söhnen.
Auch Margaretha Müller, Projektbegleiterin vom Verein Shia, wertet das Pilotvorhaben schon als Erfolg: „Von anfangs zwölf Eltern sind neun bei der Stange geblieben – das ist eine gute Quote. Und fast alle haben nun bereits einen Job und eine Ausbildung oder wissen zumindest genau, was sie wollen und wie sie‘s angehen.“ Sie wünsche sich allerdings mehr Bereitschaft von den Unternehmen, Alleinerziehenden eine Chance zu geben. „Wir haben viele Betriebe angeschrieben und relativ wenig Rücklauf bekommen. Ich würde gern an die Wirtschaft appellieren, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärker in den Fokus zu rücken.“
Nach Abschluss des Pilotprojekts werden die Ergebnisse eingeschätzt, unter anderem haben alle Teilnehmer zu Beginn und am Ende Fragebögen ausgefüllt, die es nun auszuwerten gilt. Fällt die Bilanz insgesamt positiv aus, will das Bezirksamt 2019 eine weitere Maßnahme anbieten, dann möglichst in einem anderen Stadtteil.
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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