„Dit is hier Kiez“
Kneipe „Meet One“ wird wegen Bahnarbeiten abgerissen

Katharina Jeske vor dem "Meet One", das bis Ende August abgerissen wird. Seit 15 Jahren ist sie Inhaberin der Kneipe. | Foto: Philipp Hartmann
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  • Katharina Jeske vor dem "Meet One", das bis Ende August abgerissen wird. Seit 15 Jahren ist sie Inhaberin der Kneipe.
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Seit 40 Jahren kommen Jung und Alt zum Bierchen trinken, Billardspielen und Plaudern ins „Meet One“. Die kleine Kneipe, nur einen Steinwurf vom S-Bahnhof Lichtenrade entfernt, muss nun jedoch umziehen. Wegen des Ausbaus der Dresdner Bahn wird das Lokal bis Ende August abgerissen.

Der Bahnhofstraße geht damit ein Stück Tradition verloren – und Katharina Jeske (47), die in der Gegend aufgewachsen ist. Ihre Großmutter Ilse Lüdtke eröffnete das Lokal „Treff 1“ 1978. „Nach 25 Jahren wollte sie aufhören und den Laden abgeben. Da habe ich gesagt: Kommt nicht infrage, ich mache das selbst“, blickt Jeske auf das Jahr 2003 zurück. Bis dahin hatte sie noch nie in der Gastronomie gearbeitet, doch geschadet hat die fehlende Erfahrung offenbar nicht. Seit nunmehr 15 Jahren führt sie die Bierbar und das Café als „Meet One“ fort. Laufkundschaft gibt es eher wenig. Das Lokal lebt vor allem von seinen Stammgästen. Familie und Herzlichkeit seien Attribute, mit denen sie häufig beschrieben werde.

Zweimal schon haben Katharina Jeske, ihre Mitarbeiter und die treuesten Gäste eine Tour nach Hamburg gemacht, um auf der Reeperbahn gemeinsam in den Mai zu feiern. In anderthalb Jahrzehnten als Chefin des „Meet One“ bleiben so einige legendäre Partys und skurrile Momente in Erinnerung. Dazu kräftig beigetragen hat zum Beispiel Paul (66), einer der Stammgäste, der während unseres Besuchs mit einem vollbeladenen Fahrrad vorbeigeradelt kommt. Paul verkleidet sich gerne mal mit einer Perücke und bringt Geschenke mit. „Vor ein paar Wochen kam er mit einem eigenen Barhocker an und meinte: 'Der ist für dich, Chefin'“, erzählt Jeske lachend. Diesen und alle anderen Stühle wird sie mitnehmen an den neuen Standort, genau wie den Billardtisch, die kultige Jukebox und die restliche Deko. „Wir wollen den Charakter des Ladens am neuen Standort wiederaufleben lassen“, erklärt sie. Die Gäste haben hierfür ihre Unterschriften und Wünsche an einer Wand im Gastraum verewigt. „Manchmal geht etwas Gutes zu Ende, damit woanders etwas Großartiges beginnen kann. Ihr seid unvergessen, meine Lieben“, steht dort beispielsweise geschrieben.

Für Katharina Jeske dürften sie Mutmacher für die Zukunft sein. Einer, der sie von Anfang begleitet, ist ihr guter Freund „Pefi“, eine Abkürzung für Peter Fischer. Der 50-Jährige arbeitet hinter dem Tresen und trägt seinen Spitznamen auch auf der Vorderseite seines T-Shirts. Auf der Rückseite steht: „Die gute Seele des Meet One“. Es war ein Geschenk. „Ich habe hier selber früher Billard gespielt und ein Bierchen getrunken“, erzählt er. „Als Katharina den Laden übernommen hat, hat sie mich gefragt, ob ich helfen kann.“ Da musste er nicht lange überlegen. Er gab seinen Job als Maurer auf und ist heute laut eigener Aussage in Lichtenrade bekannt wie ein bunter Hund. Zuvor habe er mal in einem Lokal in der Kantstraße in Charlottenburg gearbeitet, doch der Zusammenhalt hier sei ganz anders als in der City. „Dit is hier Kiez“, sagt „Pefi“, während er sich eine Zigarette anzündet. Im „Meet One“ darf noch geraucht werden. Daher gibt es dort auch keine Speisen.

Ein bisschen Wehmut ist schon herauszuhören im Gespräch, als es um den Abriss des Gebäudes geht. Die Deutsche Bahn, der das Grundstück gehört, wird es für den Ausbau der Dresdner Bahn bis Ende August plattmachen. Sauer über die Kündigung sei sie jedoch nicht, erklärt Jeske. „Wir haben gewusst, dass es irgendwann passieren wird.“ Jetzt warte eben eine neue Herausforderung. In der Gersdorfstraße 60 in Mariendorf wird die Kneipe eine neue Heimat finden. „Wir werden einen Teil unserer Stammgäste verlieren, aber ich bin überzeugt, dass wir auch die Mariendorfer für uns gewinnen werden“, zeigt sich die Inhaberin zuversichtlich. Am 4. August ab 20 Uhr wird dort die Neueröffnung mit einer großen Party gefeiert.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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