Dirk Trost ist für Obdachlose in Berlin unterwegs
Sobald es draußen gefährlich kalt wird, fährt der Bus durch die nächtlichen Straßen Berlins und bietet Obdachlosen an, sie zu einer Notübernachtung zu bringen. Und das seit nunmehr 20 Jahren. "Dabei wird niemand zu etwas gezwungen und keiner abgewiesen", sagt Dirk Trost (57). Er fährt seit sechs Jahren ehrenamtlich einen dieser Busse, und zwar immer auch Heiligabend. Dann begleitet ihn seine Frau Patricia als Beifahrerin.
Durchschnittlich 14 Winternächte im Jahr ist Trost für die Ärmsten der Armen als Kältebusfahrer unterwegs. "Viele Menschen kommen mit ihrem Leben nicht klar", sagt der 57-Jährige. "Ich bin in der glücklichen Lage, etwas abgeben zu können, weil ich klar komme." Gegen 21 Uhr startet er zu seinen nächtlichen Touren. Die gehen offiziell bis 3 Uhr, bei dringendem Bedarf schon manchmal bis 5 Uhr.
Von den Kollegen und über den Anrufbeantworter des Kältenotrufs ( 0178-523 58 38) erfährt er, wo Not am Mann oder an der Frau ist. Bis zu 90 Anrufe können es schon mal in kalten Nächten sein.
Dirk Trost und seine fest angestellten Kollegen wissen, an welchen Plätzen in der Stadt sich Menschen aufhalten, die kein Dach über dem Kopf haben. Bereits bei Temperaturen, die noch einiges über Null liegen, birgt die Nacht unter freiem Himmel ein tödliches Risiko.
"Bei uns gibt es immer etwas Warmes zu trinken, bei Bedarf eine Decke oder mal eine Jacke. Ich bringe, wenn es gewünscht wird, dann unsere Gäste zur Stadtmission, während der Beifahrer per Telefon bereits ein Bett organisiert", sagt Trost, der für seine Gäste nur der Dirk ist, wie es auf seinem Namensschild steht.
"Unsere Aufgabe ist es, Leute vor dem Erfrieren zu bewahren, die aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen nicht selbst Hilfe in Anspruch nehmen können", sagt der 57-Jährige. Zugleich macht er deutlich: "Wir sind weder Essen auf Rädern noch Taxi."
In seinem eigentlichen Leben leitet Dirk Trost eine Seniorenresidenz innerhalb eines deutschlandweiten Heimverbundes. Dieser Verbund spendet dank Trosts Engagement jährlich 5000 Euro für die Kältehilfe der Berliner Stadtmission. In seiner Freizeit schreibt Trost Fachbücher und Kriminalromane. Und er ist ein leidenschaftlicher Tango-Tänzer. Diese Kreativität kommt auch der Kältehilfe zugute.
Kalender mit Promis
Trost initiierte mit Gleichgesinnten das ehrenamtliche Projekt Kältebus-Tango-Kalender 2015. Prominente wie Max Rabe, Sarah Wiener, Sven Felski oder Nina Hagen, um nur einige zu nennen, ließen sich beim Tango mit obdachlosen Menschen vor bekannten Berliner Sehenswürdigkeiten ablichten.
Alle, die am Projekt teilnahmen - Organisatoren, Fotografen, Prominente, Webdesigner und Tanzlehrer - taten dies honorarfrei. Sie verstehen ihren Beitrag ebenso wie Dirk Trost als Engagement zur Unterstützung obdachloser Menschen in Berlin. Druck- und Vertriebskosten übernahmen Großfirmen. Der Kalender kostet 24,95 Euro. Jedes verkaufte Exemplar hilft einem Obdachlosen, das heißt, der Erlös sichert ihm eine Notübernachtung, medizinische Versorgung, eine warmes Abendessen, ein kräftiges Frühstück mit Kaffee und warme Bekleidung.
"Tango, das bedeutet Begegnung, Berührung, Umarmung", sagt Dirk Trost. "Das Gleiche gilt für die Kältehilfe: Leute rufen uns an, weil sie berührt sind vom Schicksal eines Obdachlosen. Mit dem Kältebus begegnen wir Menschen. Sie vor der Kälte zu retten, ist wie eine Umarmung. So schließt sich der Kreis."
Die Kältehilfe ist auf Geld-, Sach- und Lebensmittelspenden angewiesen. Diese können Mo bis Fr 9 bis 16.30 Uhr in der Lehrter Straße 68 abgegeben werden.
Autor:Michael Kahle aus Mitte |
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