Wo Fassaden packende Geschichten verbergen
Mitte öffnet am 12. September Denkmäler zur Entdeckungstour
Wo residierte die DDR-Regierung? Warum leben im Bärenzwinger keine Bären? Und wo steht Berlins letztes Kino aus der Stummfilmzeit? Wer's wissen will, sollte den 12. September nicht verpassen.
Mehr als 200 historische und geheime Räume öffnen in Berlin zum Tag des offenen Denkmals am 12. September ihre Türen. Unter dem Motto „Sein & Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege“ gewähren auch in Mitte zahlreiche Denkmäler seltene Einblicke in ihre Geschichte und Architektur. Zum Beispiel das Staatsratsgebäude am Schlossplatz. Erbaut zwischen 1962 und 1964 residierte dort am früheren Marx-Engels-Platz die 23-köpfige DDR-Regierung bis zu ihrer Auflösung. Markantes Detail an der Fassade ist das „Portal IV“ des im Zweiten Weltkrieg teils ausgebrannten feudalen Stadtschlosses. Von jenem Balkon hatte Karl Liebknecht 1918 die „freie sozialistische Republik“ ausgerufen. Zwischen 1999 und 2001 war das Gebäude Dienstsitz von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Seit 2006 nutzt es eine private Wirtschaftshochschule.
Das Filmkunsthaus Babylon gegenüber der Volksbühne an der Rosa-Luxemburg-Straße steht ebenfalls im Programmheft. Erbaut wurde es ab 1928 als Stummfilmkino mit Theaterbühne vom Architekten Hans Poelzig. Das Babylon ist nicht nur Berlins letztes erhaltenes Kino aus der Stummfilmzeit. Es beherbergt auch die originale Philipps-Orgel und damit die einzige in Deutschland an ihrem ursprünglichen Ort erhaltene Stummfilmorgel. Zu hören ist sie am 12. September zur Filmvorführung ab Mitternacht. Deutlich jünger ist das „International“ an der Karl-Marx-Allee. Einst war es das Premierenkino der DDR und noch heute flimmern dort Filme über die Leinwand. Das benachbarte Kino Kosmos „überlebte“ die Wende dagegen nur bis 2005. Heute ist das „International“ ein beachtetes Arthouse-Kino, beliebter Premierenort und Spielstätte der Berlinale. Am Denkmaltag führt der Cineast Knut Steenwerth von der Yorck-Kinogruppe ab 10 Uhr durchs Haus.
Ebenso wechselvoll ist die Geschichte des Bärenzwingers im Köllnischen Park. Erbaut 1938 bis 39 war es das Gehege der Berliner Stadtbären. Ein rot geklingerter Mitteltrakt enthielt drei Käfige und verschiedene Funktionsräume, hinzu kamen zwei Auslaufflächen mit Wassergräben. Vier Bären starben im Zweiten Weltkrieg, einer überlebte und siedelte in den Zoologischen Garten um. Bis heute ist die Anlage im Wesentlichen unverändert geblieben. Erst 1949 wurde der teilweise zerstörte Zwinger rekonstruiert und mit zwei Bären neu besetzt. 1990 drohte dann die Schließung, weil der damalige Stadtbezirk kein Geld für die Modernisierung hatte. Nach heftigen Protesten von Einwohnern übernahm der Senat die Kosten. Die Käfige bekamen eine Fußbodenheizung, eine Lichtkuppel wurde eingebaut und die Hauselektrik erneuert. Im April 1993 bezogen die zwei Bärinnen Maxi und Schnute und der damalige Stadtbär Thilo ihre Anlage wieder. Weil es von Tierschutzvereinen Kritik an der nicht artgerechten Haltung der Berliner Wappentiere gab, sollte der Zwinger geschlossen und die Bären in einen Bärenpark abgeben werden. Ende 2013 wurde dann entschieden, dass Schnute, die dort geboren wurde, bis an ihr Lebensende im Zwinger bleiben darf. Die Bärin Maxi war bereits im August 2013 gestorben. Seit dem Tod der Bärin Schnute im Oktober 2015 ist der Zwinger unbesetzt und seit 2017 Kulturort für zeitgenössische Kunst. Am 12. September lädt der Bärenzwinger im Köllnischen Park zur abendlichen Musikinstallation.
Das komplette Programm zum Tag des offenen Denkmals findet sich hier: www.tag-des-offenen-denkmals.de. Auf der Startseite einfach „Berlin“ eingeben.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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