Interview mit Johanna Hambach, Vorsitzende der Landesseniorenvertretung
Wir wollen mehr als nur ein Rederecht

Johanna Hambach ist seit 2012 die Vorsitzende der Landessenioren-vertretung Berlin. | Foto: [bildautor]Foto: Helmut Herold[/bildautor]
  • Johanna Hambach ist seit 2012 die Vorsitzende der Landessenioren-vertretung Berlin.
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Johanna Hambach (71) hat Verfahrenstechnik studiert und ihren Doktor in Philosophie gemacht. Sie engagiert sich in der Seniorenvertretung Treptow-Köpenick und ist seit 2012 Vorsitzende der Landesseniorenvertretung Berlin. Mit ihr sprach Helmut Herold.

Frau Hambach, am 23. Juni wurde die Seniorenwoche unter dem Motto „Altern gestalten“ eröffnet. Was verstehen Sie darunter?

Johanna Hambach: Zunächst einmal etwas, das jeder ältere Mensch selbst in der Hand hat, nämlich auch im Alter aktiv zu sein. Das Alter hat ja unterschiedliche Lebensphasen. Manche Senioren stehen noch im Beruf, andere beziehen ihre Rente, kümmern sich um die Enkel, engagieren sich in der Nachbarschaft. Gestalten müssen aber auch Politik und Wirtschaft. Sie können die sachlichen und finanziellen Voraussetzungen schaffen, damit Menschen in Würde altern. Das betrifft bezahlbaren Wohnraum, Hilfs- und Pflegeangebote ebenso wie Postfilialen, Geldautomaten oder Briefkästen in Wohnnähe.

Berlin hat ein Seniorenmitwirkungsgesetz. Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung?

Johanna Hambach: Nicht so sehr. Möchten Sie wissen, warum? Weil es ein schwaches Gesetz ist. Darin ist viel von „sollen“ die Rede, aber nicht von „müssen“. Verwaltungen "sollen" die Seniorenvertretungen rechtzeitig und umfassend informieren, sie an der Erarbeitung von Vorlagen beteiligen und ihnen Unterlagen zur Verfügung stellen. Was fehlt, ist die Rechtsverbindlichkeit dieser Vorgaben.

Da muss es nicht wundern, wenn die Bezirke unterschiedlich mit den Seniorenvertretungen umgehen. Die Mitwirkung der Senioren darf aber nicht davon abhängen, in welchem Bezirk man wohnt. Auch auf Landesebene hat noch nicht jeder verstanden, dass Senioren eine relevante Bevölkerungsgruppe sind, die man nicht links liegenlassen darf.

Was wäre, wenn die Rechte der Seniorenvertretungen im Bezirksverwaltungsgesetz stehen würden?

Johanna Hambach: Dann hätten wir gleichwertige Rahmenbedingungen in allen Bezirken. Es sollte aber drinstehen, dass die Seniorenvertretungen nicht nur ein Rede-recht in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlungen haben, wie das jetzt der Fall ist, sondern auch ein Antragsrecht. Wenn wir heute einen Antrag initiieren wollen, müssen wir eine Fraktion bitten, das zu übernehmen.

Glauben Sie, dass das Bezirksverwaltungsgesetz in diesem Sinne geändert wird?

Johanna Hambach: Das wäre wünschenswert, wird jedoch nicht von heute auf morgen geschehen. Aber wir Senioren haben Geduld und Ausdauer. Wir haben unseren Wunsch inzwischen an die Fraktionen im Abgeordnetenhaus und an die Sozialsenatorin herangetragen. Es gab zumindest keine Ablehnung. Ob sich dann allerdings eine Mehrheit findet, die eine solche Änderung tatsächlich will und in Angriff nimmt, ist mehr als ungewiss.

Nur in wenigen Bezirken wurden Menschen mit Migrationshintergrund in die Seniorenvertretungen berufen. Wie wollen Sie das ändern?

Johanna Hambach: Wir können das nicht ändern. Leider gab es zu wenig Kandidaten mit Migrationshintergrund, und von denen erhielten nicht alle die nötigen Stimmen. Doch es gibt andere Möglichkeiten, um Migranten in unsere Arbeit einzubeziehen. So haben einige Seniorenvertretungen Beiräte gebildet, in denen Senioren mit Migrationshintergrund tätig sind. Oder sie arbeiten ganz eng mit den Vereinen und Verbänden der Migranten zusammen.

Die Bezirke geben unterschiedlich viel Geld für die Altenhilfe aus. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Johanna Hambach: Bei der Altenhilfe handelt es sich um freiwillige Leistungen der Bezirke, mit denen sie Freizeit-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Senioren finanzieren. Manche Bezirke haben Kiezklubs und organisieren Busfahrten. Andere nutzen für solche Angebote freie Träger. Das ist in dieser Vielfalt zunächst einmal in Ordnung. Was mich aber stört, ist die Tatsache, dass die Bezirke auf den demografischen Wandel sehr unterschiedlich reagieren. In Treptow-Köpenick gibt es zehn kommunale Kiezklubs als Treffpunkte auch für Senioren. Und jetzt raten Sie mal, in welchem Bezirk die Beteiligung an der Wahl der Seniorenvertretung am höchsten war. Genau. Und warum? Ganz einfach, weil die Besucher der Kiezklubs nicht nur die vielfältigen Freizeitangebote nutzen, sondern sich hier auch über die Seniorenwahl informieren konnten.

Sollten die Leistungen für die Altenhilfe in den Bezirken vereinheitlicht werden?

Johanna Hambach: Mit einem einheitlichen Betrag X wäre nicht wirklich etwas gelöst. Denn die Bedingungen in den Bezirken und die Lebenssituationen der Senioren sind unterschiedlich. Viel wichtiger finde ich einheitliche und verbindliche Qualitätskriterien für jene Strukturen, die zur Umsetzung der Altenhilfe nötig sind. Dann ist es auch möglich, das Altern zu gestalten.

Autor:

Helmut Herold aus Neu-Hohenschönhausen

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