Autofrei für heizpilzwarm
Die Senatorinnen Regine Günther und Ramona Pop schlagen Kohlendioxid-Kompensation vor
In die Diskussion um die als Kohlendioxid-Schleuder verrufenen Heizpilze kommt neue Bewegung. Um die Gastwirte zu unterstützen und in den kalten Monaten mehr Außenplätze zu ermöglichen, wollen Umweltsenatorin Regine Günther und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (beide Bündnis 90/Die Grünen) Heizpilze auf Terrassen ausnahmsweise erlauben – für einen autofreien Sonntag im Gegenzug.
Simon Lukic betreibt sein Restaurant Simon in der Auguststraße und kann jetzt noch seine Gäste draußen am Gipsdreieck bewirten. Wenn es kälter wird, befürchtet er, dass die Kunden wegbleiben. Drinnen sind die Plätze wegen der Abstandsregeln halbiert. „Heizpilze würden auf jeden Fall helfen“, sagt Simon Lukic.
Restaurants und Cafés kämpfen ums Überleben. Jeder zweite Betreiber rechnet mit dem baldigen Aus. Weil die Gäste aus Angst vor Ansteckung lieber draußen sitzen, sucht die Gastrobranche seit Monaten nach Möglichkeiten, die Außenterrassen winterfest zu machen. Bundesweit gibt es Forderungen, ausnahmsweise wegen der Corona-Krise die verrufenen Heizpilze zu genehmigen. Die Strahler sind extreme Kohlendioxid-Schleudern und in den meisten Bezirken seit Jahren verboten.
Die Grünen lehnen Ausnahmen bisher rigoros ab. Sie setzen auf Decken und Windschutz für die Außengastronomie sowie gute Belüftungskonzepte für Innenräume, so auch bisher die Umweltsenatorin Regine Günther. Jetzt will sie aber wegen der „existenzbedrohenden Lage“ der Wirte doch Heizpilze zulassen. „Wenn über einen klar begrenzten Zeitraum technische Lösungen wie Heizstrahler zum Einsatz kommen, müssen deren Emissionen kompensiert werden. Die Quantitäten schätze ich als überschaubar ein. Als mögliche Kompensation sehe ich einen autofreien Tag, verbunden mit dem Kauf von glaubwürdigen Zertifikaten“, sagt sie.
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop ist ebenfalls „mit Blick auf Herbst und Winter für unkonventionelle Lösungen“ und findet, dass „elektrisch und mit Ökostrom betriebene Heizmöglichkeiten als temporäre Alternative“ gehen. „Um den Kohlendioxid-Ausstoß zu kompensieren, sollten wir uns alle solidarisch mit der Gastronomie zeigen und beispielsweise mit einem autofreien Sonntag das Kohlendioxid wieder einsparen. Denn die Klimakrise pausiert nicht während der Corona-Krise“, sagt Pop.
„Zähneknirschend Ja gesagt“
Die FDP fordert schon länger, das Heizpilzverbot in dieser Notsituation temporär auszusetzen. Zum Kompromiss, dafür die Emissionen einmalig mit einem autofreien Sonntag auszugleichen, haben die Liberalen „zähneknirschend Ja gesagt“, so FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „Wenn das der Preis ist, um unsere Gastronomie zu sichern, dann tragen wir das mit.“
Für Tilmann Heuser, Chef vom Bund für Umwelt und Naturschutz ist der Vorschlag „totaler Quatsch“, wie er in der rbb-Abendschau sagte. Windschutz und Markisen würden helfen und vor allem: Mütze auf und warm anziehen. Die Fußballfans in den Stadien würden auch im Winter zwei bis drei Stunden ohne Heizung durchhalten.
Ob Heizpilze tatsächlich erlaubt werden, entscheiden aber letztendlich die Bezirke. „Es ist zunächst einmal ein Vorschlag zur Verfahrensweise“, sagt Günthers Sprecher Jan Thomsen. „Es wäre zu begrüßen, wenn die Bezirke mit einheitlichen Regelungen unbürokratisch und großzügig Außengastronomie auch in der kalten Jahreszeit ermöglichen“, so Ramona Pop. Der Gaststättenverband Dehoga will eine für Berlin einheitliche Lösung. Bisher lehnen die meisten Bezirke wie Mitte oder Treptow-Köpenick Heizpilze ab. Charlottenburg-Wilmersdorf könnte sich Ausnahmen vorstellen, in Steglitz-Zehlendorf sind Heizpilze in Schankvorgärten soundso erlaubt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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