Mit beredter Geste
Porträt von Altbundespräsident Joachim Gauck im Rathaus Tiergarten enthüllt
Der Balkonsaal im Rathaus Tiergarten ist an diesem frühen Abend hell erleuchtet. Gefällige Jazzmusik schallt durch die Ritzen der Balkontüren über den Mathilde-Jacob-Platz. Drinnen drängen sich die Gäste in gespannter Erwartung. Angekündigt ist Altbundespräsident Joachim Gauck (80).
Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) empfängt Joachim Gauck im Auftrag der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Mitte. Anlass für die Feier im Balkonsaal ist die Ergänzung der dortigen Galerie der Bundespräsidentenporträts. Das neueste Porträt von Joachim Gauck hat der Berliner Maler Christoph Wetzel geschaffen. Noch mit weißem Tuch verhängt steht es auf einer Staffelei.
Die im Balkonsaal ausgestellte Reihe mit Ölbildern der Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland sei das Herzstück des Raumes, erläutert Bezirkschef von Dassel. Und des Rathauses, möchte man ergänzen. Alle Bundespräsidenten sind hier versammelt, von Theodor Heuss an, der sich seinerzeit sogar im Rathaus malen ließ. Die Hälfte des Künstlerhonorars übernimmt traditionsgemäß der Wirtschaftskreis Mitte. Er ist eine unabhängige, überparteiliche Vereinigung von Gewerbetreibenden, Unternehmen, Selbständigen, Freiberuflern und kommunal tätigen Organisationen im Bezirk Mitte.
In seinen Grußworten an den Altbundespräsidenten erinnert Stephan von Dassel an das muslimische Fastenbrechen auf dem Ottoplatz im Juni 2016, an dem der oberste Repräsentant der Bundesrepublik teilnahm. Gauck habe damals soviel Wärme und Herzlichkeit ausgestrahlt, dass sich die Muslime angenommen gefühlt hätten. „Der Bezirk Mitte ist für diese Geste sehr dankbar“, so von Dassel.
Impulse für kommunale Arbeit in Mitte
Prägend in Erinnerung sei ihm, von Dassel, auch Gaucks intensive Beschäftigung mit dem Zusammenwachsen von Ost und West während seiner Amtszeit. Dabei habe er dem Bezirk Mitte für die tägliche kommunale Arbeit wichtige Hinweise gegeben. Zum Bezirk Mitte fusionierten im Jahr 2000 „schmerzhaft“ (Stephan von Dassel) zwei Westbezirke und ein Ostbezirk.
Joachim Gauck, der streitbare Pfarrer aus Rostock, seinerzeit führendes Mitglied des Neuen Forums, Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR, erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen und von 2012 bis 2017 Bundespräsident, spricht in seinem Grußwort von der Entstehung des Porträts. Es sei das glatte Gegenstück zu einem Bildnis von ihm, das der junge Künstler Christoph Bouet „grobflächig, mit vielen Farben und sogar mit der Pranke“ gemalt habe. Es hängt im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses. Christoph Wetzel hingegen, so Gauck, sei ein Meister, der auf Feinheiten achte. Er, Gauck, habe sich im Stillhalten und beim Zuschauen, wie Kunst entsteht, üben müssen, was bei ihm „so nicht üblich“ ist.
„Ich möchte mit meinen Augen und mit meinen Pinseln zuhören können“, sagt Christoph Wetzel über seine Arbeit des Porträtierens. Schnell habe man zueinander gefunden, erzählt er. Sein Vater sei wie Gauck Pfarrer gewesen. „Das hat Brücken gebaut.“
Dann enthüllen Bürgermeister Stephan von Dassel und Joachim Gauck das Porträt. Zu sehen ist ein Altbundespräsident, der mit beredter Geste in einem undefinierten Raum auf einem Stuhl sitzt. Mit der Linken spielt Gauck in der Luft, die Rechte ist an die Lehne gerutscht, so als wolle er im nächsten Augenblick aufstehen.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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