Bürgermeister Heinz Buschkowsky ist für Wohnungen auf dem Tempelhofer Feld
Herr Buschkowsky, Sie haben sich im vergangenen Sommer entschlossen, Ihr Amt nach Ihrem 65. Geburtstag doch noch weiterzuführen. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Heinz Buschkowsky: Es macht mir halt immer noch Spaß und solange die Neuköllner mir auf der Straße zuwinken, bleibe ich am Ball.
Welches waren Ihrer Meinung nach 2013 die herausragenden bezirklichen Ereignisse?
Heinz Buschkowsky: Eines war sicher das 40-jährige Jubiläum des Gemeinschaftshauses Gropiusstadt. Zehn Millionen Besucher verzeichnete das größte und modernste Veranstaltungshaus im Süden Berlins bisher. Die Feuerwache Neukölln in der Emser Straße feierte ihren 100. Geburtstag. Der Arbeiter-Samariter-Bund wurde 105 und der TSV Rudow 125 Jahre alt. Politisch war und ist der starke Zuzug aus Rumänien und Bulgarien die größte Herausforderung. Es sind meist Roma, die der Armut in ihrer Heimat entfliehen. Wir müssen jeden Monat eine neue Schulklasse für Kinder aufmachen, die kein einziges Wort Deutsch sprechen, aber auf ein besseres Leben als zu Hause hoffen. Da sind Sprache und Schule unabdingbar.
Wie viele Zuwanderer aus diesen Ländern leben denn in Neukölln?
Heinz Buschkowsky: Wir glauben, dass sich derzeit rund 10 000 plus X Rumänen und Bulgaren in Neukölln niedergelassen haben. Seit dem 1. Januar besteht völlige Freizügigkeit. Man benötigt keine Tricks wie Gewerbeanmeldungen mehr, um offiziell in Deutschland leben zu können. Ein Lehrer verdient in Rumänien rund 300 Euro. Da ist bei uns für manche Familien das Kindergeld höher. Allein das reicht als Motivation.
Wie sehen denn die angestammten Neuköllner diese Zuwanderung der Rumänen und Bulgaren?
Heinz Buschkowsky: Es gibt hier und da schon Distanz, die die Menschen in Zuschriften oder auch erregten Ansprachen formulieren. Türkisch- und arabischstämmige Neuköllner sind zum Teil durch stigmatisierende Überlieferungen übersensibilisiert.
Welche Erklärung gibt es dafür?
Heinz Buschkowsky: Ein Punkt ist sicher, dass die Zuwanderer, die als letzte kommen, immer den schwersten Stand haben. Sie stehen im Verdacht, denen etwas wegzunehmen, die schon da sind. Und sei es nur der Spielplatz an der Ecke.
Nun zu einem anderen Problem: die Mietentwicklung. Zurzeit läuft ja eine Expertise über die Wirksamkeit des Milieuschutzes im Reuterkiez.
Heinz Buschkowsky: Wir wollen klären, ob in Neukölln die Voraussetzungen für den Milieuschutz überhaupt gegeben sind. Milieuschutz ist kein Instrument gegen Mieterhöhungen, wie immer wieder falsch behauptet wird. Er ist eine Barriere gegen die massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und gegen Luxus-Modernisierungen. Diese beiden Faktoren führen zur Verdrängung der ansässigen Bevölkerung. Wir können im Bezirksamt zurzeit aber nicht feststellen, dass es die genannten Phänomene bei uns tatsächlich regelmäßig gibt. Ein Milieuschutz muss vor Gericht bestehen können, deswegen wollen wir die Fakten klären, bevor wir auf die Nase fallen. Von punktuellen Situationen abgesehen, kann ich im Moment eine Vertreibung der ärmeren Mieterschaft nicht bestätigen.
Wohnungsneubau soll ja helfen, das Problem zu lösen. Aber warum ausgerechnet an den Rändern des Tempelhofer Feldes?
Heinz Buschkowsky: Wo soll man denn sonst dringend benötigte Wohnungen bauen, wenn nicht dort, wo Platz ist? Wenn ich sehe, in welche Lücken wir woanders neue Blöcke pressen, dann ist im Vergleich dazu das Tempelhofer Feld doch die unendliche Weite der Prärie. Die 5000 Wohnungen, die ganz behutsam an den Rändern entstehen sollen, sind doch überhaupt kein Ding. Es bleibt eine Fläche frei, in die 230 Sportplätze passen, das macht viermal die Größe der Hasenheide. Übrigens: Der zur Bebauung vorgesehene Neuköllner Teil des Flughafens gehörte ursprünglich gar nicht zum Flugfeld. Er wurde zur Verlängerung der Start- und Landebahnen für die Düsenjets einfach hinzugenommen. Eigentlich ist das normales Siedlungsgebiet. Die ganze Aufregung erscheint mir recht gekünstelt und hysterisch.
Welche wichtigen Projekte stehen in diesem Jahr im Bezirk an?
Heinz Buschkowsky: Ein richtiges Ausrufezeichen setzt der Ergänzungsbau des Estrel, der mit 170 Metern Höhe unser neues Wahrzeichen wird. Im Frühjahr gibt es das Wettbewerbsergebnis und im Herbst den Baubeginn. Die Bagger werden auch für den Weiterbau der Autobahn anrücken. Die Silberstein- und die Richard-Grundschule erweitern wir zu Ganztagsschulen. Der Platz der Stadt Hof wird fertig und in der Karl-Marx-Straße beginnt der nächste Bauabschnitt von Jonas- bis Uthmannstraße. Das führt wieder zu einem Engpass, aber kaputte Straßen will auch keiner.
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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